Stuttgart (dpa/lk) – Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha will nicht mehr warten, seine Geduld ist am Ende. Deshalb fällt der Ressortchef passend zur Tagung seiner Ressortkollegen mit der Tür ins Haus und fordert eine Impfpflicht für Pflegekräfte und andere. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern kommen von Donnerstag an in Lindau am Bodensee zusammen. Die Ressortchefs wollen bei ihren Beratungen den Corona-Kurs für den Winter abstecken. Doch die Empörung auf diese Forderung lässt nicht lange auf sich warten.
Vor dem Treffen der Gesundheitsminister in Lindau hat sich Baden-Württembergs Ressortchef Manne Lucha für eine Impfpflicht bei Beschäftigten zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen ausgesprochen. „Nachdem wir lange auf Appelle und die Einsicht der Menschen gesetzt haben, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, eine Impfpflicht für Beschäftigte in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheits- oder dem Erziehungs- und Bildungswesen zu fordern“, sagte der Grünen-Minister am Donnerstag.
Es dürfe nicht dieselben Szenarien wie im vergangenen Jahr geben, als viele alte Menschen an einer Corona-Infektion gestorben seien, weil das Virus von außen in die Einrichtungen getragen worden sei. Damals seien viele alte Menschen an einer Corona-Infektion gestorben, weil das Virus von außen in die Einrichtungen getragen worden sei. Es gebe zwar bereits eine Testpflicht für Beschäftigte in Baden-Württemberg. „Trotzdem werden Infektionen in die Heime getragen. Testen löst unser Problem nicht. Wir müssen jetzt eine Schippe drauf legen.“
Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht sich angesichts der zunehmenden Corona-Fälle für eine Impfpflicht in Alten- und Pflegeheimen aus und stärkt damit Gesundheitsminister Manne Lucha den Rücken. „Wir haben immer gesagt – je nach Entwicklung der Pandemie muss man bei bestimmten Berufsgruppen darüber nachdenken“, sagte eine Sprecherin des Staatsministeriums am Donnerstag in Stuttgart. Trotz der sehr hohen Impfquote bei den Gesundheitsberufen gebe es zunehmend Fälle von Impfdurchbrüchen in Heimen. „Und weil wir hier von einem hoch sensiblen Bereich und einer sehr vulnerablen Gruppe sprechen, müssen wir alles dafür tun, diese Menschen zu schützen“, sagte die Sprecherin. „Deshalb halten wir eine Impfpflicht in diesem Bereich für sinnvoll und verantwortbar.“ Allerdings liegt die Einführung einer solchen Pflicht nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Händen des Bundes und kann von den Ländern nicht selbst entschieden werden.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern kommen von Donnerstag an in Lindau am Bodensee zusammen. Die Ressortchefs wollen bei ihren Beratungen den Corona-Kurs für den Winter abstecken. Diskutiert werden soll bis Freitag unter anderem, wie mehr Menschen zu Auffrischungsimpfungen bewegt werden können. Auch eine Testpflicht in Pflegeheimen ist Thema.
Genau das fordert auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Luchas Vorschlag lehnte er am Donnerstag deutlich ab: „Damit treibt er die Polarisierung auf die Spitze“, warf ihm Brysch vor. „Das wird in der Praxis überhaupt nichts bringen.“ Auch Geimpfte könnten das Virus in die Heime tragen. „Tägliche Tests sind mindestens so sicher wie eine Impfung“, sagte Brysch der dpa. Auch die Diakonie Württemberg hält noch nichts von einer vorgeschriebenen Impfung für Beschäftigte. „Wir bleiben dabei, dass wir neben der Aufklärung und Information eine Testpflicht bevorzugen“, sagte eine Sprecherin. Ungeimpfte Mitarbeiter müssten sich an jedem Arbeitstag testen lassen, geimpfte und genesene mindestens ein Mal in der Woche.
Vom Verband Bildung und Erziehung erhält Lucha ebenfalls keine Rückendeckung. Der Verband habe den Lehrkräften stets empfohlen, sich impfen zu lassen, eine Pflicht dazu aber abgelehnt, sagte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand auf Anfrage. Eine Impfpflicht sei mit Blick auf die außerordentlich hohe Impfbereitschaft der Lehrkräfte auch völlig unnötig. Brand verwies auf das aktuellem Schulbarometer, nach dem bereits im September 95 Prozent der Lehrkräfte geimpft waren. „Wer weiterhin eine Impfpflicht für Lehrkräfte fordert, trägt Eulen nach Athen uns setzt die falschen Prioritäten“, sagte Brand.
Auf der Konferenz der Gesundheitsminister am Bodensee will Lucha weitere Vorschläge mit seinen Ressortkollegen beraten, um die Impfbereitschaft zu steigern und das Ansteckungsrisiko zu reduzieren. Baden-Württemberg werde sich dafür einsetzen, dass der aktuelle Erstattungsbetrag von 20 Euro pro Impfung erhöht werde, sagte Lucha. „Ideal wäre, wenn die Arztpraxen am besten auch am Wochenende Impfungen anbieten würden, das muss auch entsprechend honoriert werden“, ergänzte er. Nach Ansicht des Ministers muss das Impfen auch von bürokratischen Vorgaben befreit werden. „Es gilt zu überprüfen, ob die vielen seitenlangen Einwilligungserklärungen notwendig sind.“