Ettlingen (ass) – Die Corona-Pandemie hat das öffentliche Leben lahmgelegt. Kein spontaner Kaffeeplausch mit der besten Freundin mehr, kein entspanntes Stöbern im Lieblingsbuchladen und auch das Abendessen mit Freunden im Lieblings-Restaurant ist aktuell nicht mehr möglich. Denn lediglich Geschäfte mit Produkten für den täglichen Bedarf haben derzeit geöffnet. Wie beeinträchtigt das den Ettlinger Einzelhandel?
Samstag 10:30 Uhr. Wo sonst Familien ihre Wocheneinkäufe erledigen, sich vor der französischen Bäckerei eine lange Schlange bildet und Stammkunden im Außenbereichs ihres Lieblingscafés zusammensitzen, laufe ich fast alleine durch die Gassen der Ettlinger Innenstadt. Die Stadt mit etwa 41. 000 Einwohnern liegt zwischen der Fächerstadt Karlsruhe und den bekannten Kurorten des Südschwarzwalds und ist für ihre idyllische Altstadt berühmt. Das Coronavirus kann der Idylle nichts anhaben, doch die Leere macht vor allem den Einzelhändlern zu schaffen.
Sabine Süß, die Amtsleiterin der Stadt Ettlingen, erklärt mir, dass die Corona-Pandemie immense Auswirkungen auf den Ettlinger Einzelhandel hat. Zwei Geschäfte mussten bereits schließen, da sie die finanziellen Schwierigkeiten, die durch das Virus ausgelöst worden sind, nicht überwinden konnten. „Wir befürchten weitere Schließungen und einen Anstieg von Leerstand im kommenden Jahr“, berichtet Süß.
Doch schon vor Corona hatte der Ettlinger Einzelhandel zu kämpfen, da der Online-Handel boomt. Monika Hirsch, die Inhaberin der Buchhandlung Abraxas, hat jedoch das Gefühl, dass die Pandemie zu einem Umdenken bei jungen Menschen führt. Es wirkt für sie so, dass diese wieder vermehrt den lokalen Einzelhandel statt Großhändler wie Amazon unterstützen. Wenn sich das bestätigt, dann hat Covid-19 auch positive Effekte.
Ich bleibe vor einem Friseurladen stehen. Es ist stockdunkel in dem Salon. An der Tür hängt ein Schild, auf dem in verschnörkelter Schrift „Derzeit geschlossen“ steht. In diesem Moment gibt mir die FFP2-Maske, die mein halbes Gesicht bedeckt, ein beklemmendes Gefühl. Der geschlossene Laden zeigt, wie viele Selbstständige aktuell zu kämpfen haben. Ob die Soforthilfen und die Senkung der Fixkosten wirklich das Überleben der Läden sichern, bleibt abzuwarten.
Alexander Oehler hat seine Bedenken. Er selbst führt das Hofglück. Sein Geschäft bietet Kleinkünstlern einen Ort, an dem sie ihre Kunst verkaufen können. Da Oehler hauptberuflich Maler ist und keine Pacht für den Laden zahlen muss, ist seine Existenz nicht in Gefahr. Doch er erzählt von einer Bekannten, die ein Ettlinger Café führt und nicht weiß, ob sie die Krise überlebt. Selbst der Straßenverkauf rentiert sich nicht für die Selbstständige.
Die Stadtverwaltung versucht schon lange das Angebot der Innenstädte wieder attraktiver zu gestalten. Zu nennen ist hier beispielsweise die Einführung des Ettlinger Arbeitgebergeschenkgutscheins sowie die Etablierung des Online Marktplatzes „Ettlinger Platzhirsche“. Die Bestellungen über den virtuellen Marktplatz, auf dem stationäre Händler, Gastronomen und Dienstleister ihre Waren anbieten können, sind in letzter Zeit gestiegen. Die Umsätze können jedoch in keiner Weise eine Schließung des Geschäftes auffangen, erklärt Sabine Süß.
Der Online-Marktplatz ist laut Oehler eine gute Sache, um in diesen Zeiten überhaupt die Möglichkeit zu haben, etwas verkaufen zu können. Doch vor allem die Retouren sind meist mit mehr Arbeit verbunden. So lohnt es sich oft nicht für die lokalen Einzelhändler. Zudem fehlt die persönliche Kundenberatung. Auch Monika Hirsch vermisst es, Kundschaft in ihrer Buchhandlung zu empfangen und Buchliebhabern das passende Exemplar zu empfehlen. „Wir wollten nie eine Versand-Buchhandlung werden“, teilt Hirsch mir am Telefon mit.
Während ich auf dem Rückweg zu meinem Auto bin, sehe ich, wie eine Gruppe Jugendlicher ihr Essen im Café Lavandou abholt. Der vorzüglich riechende Duft von frischem Flammkuchen steigt mir in die Nase. Hoffnung macht sich in mir breit. Irgendwann wird es hoffentlich wieder möglich sein, ohne Maske durch die Ettlinger Straßen laufen zu können, unbeschwert mit Freunden im Horbachpark zu picknicken und Oma in den Arm zu nehmen. Um das Überleben des Einzelhandels bis dahin zu unterstützen, sollten die lokalen Geschäfte durch Online-Käufe und Spenden unterstützt werden.