Region (lea) – Die Folgen der Coronapandemie spürt die Gastronomie- und Hotelleriebranche noch immer. Denn während der Lockdowns sind viele Arbeitskräfte in andere Berufe abgewandert. Diese helfenden Hände fehlen jetzt beim Weiterbetrieb des Sektors. Gibt es keinen Koch, bleibt die Küche kalt. Mangelt es an Servicekräften, müssen Restaurants sogenannte Ruhetage einlegen. Das Schild „Heute wegen Personalmangels geschlossen“ ziert immer häufiger die Türen von Stammlokalen, Kneipen oder Bars in der Region. Der Hotelsektor bangt zudem um den Erhalt seiner Qualität in Service und Betreuung.
Die Gastronomie- und Hotelbranche hat es zur Zeit nicht leicht. „Immer noch sind die Folgen der Coronakrise zu spüren“, sagt Barbara Saebel. Die Politikerin sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Baden-Württembergischen Landtag und kennt die Sorgen des Sektors nur allzu gut: „Viele Mitarbeiter sind in andere Branchen abgewandert. Die zurückzuholen – das ist gar nicht so einfach.“ Neben den Auswirkungen der Pandemie sieht sich die Gastronomie aber auch mit steigenden Energiepreisen konfrontiert. „Es gibt da jetzt verschiedene Hilfsprogramme. Aber trotzdem sind die steigenden Preise eine große Herausforderung“, so Saebel. Auch an Attraktivität mangele es derzeit. „Wir haben das Problem wie viele andere Handwerksbranchen auch. Die jungen Menschen finden uns nicht mehr attraktiv.“ Das sei schade, findet die Politikerin.
Der Schwund von Mitarbeitern zeichnet sich auch in Statistiken ab. So zeigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, dass 2020 im Vergleich zu 2019 ein Zehntel weniger Arbeitnehmer in der Gastronomiebranche tätig waren. Weniger drastisch sehen die Rückgänge im Gewerbe der Hotellerie aus. 2020 arbeiteten dort rund fünf Prozent weniger Beschäftigte als im Vorjahr. Im Zuge der schwindenden Mitarbeiter verloren die Gastronomen und Hotelbetreiber zudem auch Einnahmen.
Das Geschäft brach im ersten Jahr der Pandemie circa um die Hälfte ein. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) äußert auf seiner Internetseite: „Die Corona-Pandemie mit insgesamt neun Monaten Lockdown hat den auf Hochtouren laufenden gastgewerblichen Jobmotor mit voller Wucht getroffen.“ Seit März des vergangenen Jahres verzeichne die Branche wieder stabil über eine Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.
Die Folgen des Fachkräftemangels bekommen die Kunden in der Gastronomie- und Hotelleriebranche ohne Umschweife zu spüren. „Die Öffnungszeiten sind nicht mehr so, wie sie mal waren. Weil die Mitarbeiter fehlen. Wenn die Firmen nicht genug Mitarbeiter haben, müssen sie die Küche einfach schneller schließen“, so Saebel. Diese Tendenz bereite ihr Sorgen. Restaurants mit zwei Ruhetagen wöchentlich seien kein Einzelfall mehr. Auch gänzliche Schließungen würden nicht ausbleiben. Dem muss Einhalt geboten werden, findet sie. Denn „eine gute Gastronomie vor Ort – das ist ein Stück Lebensqualität und Kulturgut.“
Patrick Seiffert ist Direktor des Hotels „Santo“. Gleichzeitig ist er stellvertretender Fachgruppenvorsitzender der Hotellerie DEHOGA in Karlsruhe. Die Probleme und Nöte der Gastronomie teilt er. Als Hotelbesitzer stellt sich für ihn aber noch eine andere Herausforderung: „Die Überkapazität an Hotels hier in Karlsruhe wird uns bald das Leben schwermachen“, sagt er.
Rund zweieinhalbtausend Betten würden in nächster Zeit hinzukommen. „Das ist unsagbar viel. Die Betten müssen ja irgendwie gefüllt werden, aber das geht nicht.“ Das Reiseverhalten der Menschen habe sich geändert. Zudem fehle das Personal, um so viele Hotelbetten betreuen zu können. „Die Kombination aus Fachkräftemangel und Überangebot führt dazu, dass wir langfristig die Qualität nicht halten können“, mahnt der Hotelbesitzer.
Tatenlos zusehen? Das kommt für Hotel- und Gastronomiebetreiber nicht in die Tüte. Die DEHOGA setzt bei ihrem Kampf gegen den Fachkräftemangel auf mehrere Maßnahmen. Job und Ausbildung sollen zunächst attraktiver gestaltet werden. Dabei seien die aktuellen Tariferhöhungen im zweistelligen Prozentbereich ein wichtiger Baustein. Auch wird die duale Ausbildung gefördert. Hotelbesitzer Seiffert erläutert: „Wir haben ein neues Ausbildungsmodell, in dem wir viel stärker duale Studienberufe fördern.“ Ihm geht es um das Vermitteln von Aufstiegschancen und eine Imageveränderung: „Wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden, dass ein Azubi eine billige Reinigungskraft sei. Mit diesem Vorurteil müssen wir aufräumen.“ Des Weiteren fordert die DEHOGA eine erleichterte Arbeitsmarktzuwanderung. „Wir brauchen neue rechtliche Möglichkeiten für eine gezielte Erwerbsmigration aus Drittstaaten“, heißt es auf der Internetseite.
Zudem solle Wohnraum für die Arbeitnehmer der Hotellerie und Gastronomie geschaffen werden. „Mit 1.800 Euro als Single bekommt man keine bezahlbare Wohnung in Karlsruhe mehr“, kritisiert Seiffert. Das sei aber wichtig, um neue Kräfte anwerben zu können. Notfalls, so schlägt der Hotelbesitzer vor, könnte auch „alte Bestandshotellerie, die nicht mehr wettbewerbsfähig ist, in kleine Apartments umgebaut werden.“
In einem sind sich die Hotel- und Gastronomiebesitzer einig: In ihrer Branche wird es nie langweilig. Seiffert hebt hervor: „Ich habe den Beruf angefangen aus der Freude, für andere da zu sein. Es ist ein unglaublich abwechslungsreiches Arbeitsumfeld.“ Flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, auch im Ausland tätig zu werden, stehen für ihn dabei im Vordergrund. „Übrigens ist es, entgegen vieler Vorurteile, nicht der schlechtbezahlteste Beruf“, fügt er an und lacht.