Pforzheim (dpa/svs) – Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will nach Angaben des Gesamtbetriebsrats 52 der noch verbliebenen 129 Warenhäuser schließen. «Insgesamt werden somit weit über 5000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren», berichteten die Arbeitnehmervertreter des Unternehmens am Montag. «Dies ist ein rabenschwarzer Tag», betonte der Betriebsrat. Das Warenhaus in Pforzheim soll Anfang 2024 schließen, Karlsruhe und Offenburg sollen erhalten bleiben.
Von der großen Schließungswelle bei der Warenhauskette Galeria sind sechs Filialen in Baden-Württemberg betroffen. Zum 31. Januar 2024 machen die Geschäfte in Esslingen, Heidelberg (Bismarckplatz), Leonberg, Pforzheim, Reutlingen und in der Stuttgarter Eberhardstraße dicht, wie das Unternehmen am Montag mitteilte. Offen bleiben zwölf Standorte in Freiburg am Bertholdsbrunnen, Freiburg am Europaplatz, Heidelberg Hauptstraße, Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Lörrach, Mannheim, Offenburg, Singen, Stuttgart Königstraße und Ulm. Deutschlandweit will der Konzern 52 der noch verbliebenen 129 Warenhäuser schließen. Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats verlieren dadurch über 5000 Menschen ihren Job – wie viele davon in Baden-Württemberg betroffen sind, war zunächst nicht klar. «Dies ist ein rabenschwarzer Tag», betonte der Betriebsrat.
Mit großem Bedauern nimmt Oberbürgermeister Peter Boch die Entscheidung zur Kenntnis, dass der Pforzheimer Galeria Karstadt Kaufhof-Standort nicht zu denen gehört, die langfristig vom Kaufhauskonzern erhalten werden sollen. Positiv wertet er, dass durch den vorläufigen Weiterbetrieb bis Ende Januar 2024 zumindest etwas mehr Zeit gewonnen werde. „Auch wenn diese Entscheidung nicht ganz überraschend kommt und wir uns daher bereits seit vielen Wochen mit verschiedenen Szenarien beschäftigen konnten, ist dies zunächst mal ein schwerer Rückschlag für den Einzelhandelsstandort Pforzheim und insbesondere für die Innenstadt – trotz aller alternativen Perspektiven, an deren Entwicklung wir jetzt arbeiten.“
Gleichzeitig handele es sich um eine ganz bittere Nachricht für die 95 hier am Standort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – mit einer in der Regel hohen Betriebszugehörigkeit von durchschnittlich 24 Jahren und damit großer Treue zum Unternehmen. Den Beschäftigten gelte auch das besondere Augenmerk der Stadt Pforzheim. „Wir versuchen im Rahmen unserer – leider begrenzten – Möglichkeiten alles, um den Betroffenen wo immer möglich Türen zu öffnen.“ Daher gehörten auch der örtliche Betriebsrat und die Verantwortlichen der Verdi-Bezirksleitung zu den Gesprächspartnern der vergangenen Wochen.
Oberbürgermeister Peter Boch betont: „All unser frühzeitig begonnenes Handeln ist darauf ausgerichtet, Einfluss zu nehmen auf die weitere Entwicklung.“ Die geknüpften Gesprächsfäden werden unter Hochdruck weitergeführt, um möglichst schnell die Voraussetzungen für eine Nachnutzung zu schaffen. Bereits Anfang Februar richtete der Oberbürgermeister eine breit angelegte Task Force Innenstadt ein, um Alternativkonzepte zu eruieren und die verschiedenen Folgewirkungen einer Standortaufgabe von Galeria Karstadt Kaufhof zu besprechen.
Der Hintergrund: Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende Oktober zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren Rettung in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren suchen müssen. Als Grund für die bedrohliche Lage des Unternehmens nannte Konzernchef Miguel Müllenbach damals in einem Mitarbeiterbrief die explodierenden Energiepreise und die Konsumflaute in Deutschland. Der Manager ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, dass die erneute Sanierung mit erheblichen Einschnitten in das Filialnetz und einem deutlichen Stellenabbau verbunden sein würde.
Es ist bereits der zweite Versuch, den Handelsriesen durch ein Schutzschirmverfahren und den damit verbundenen Schuldenschnitt wieder dauerhaft auf Erfolgskurs zu bringen. Ein erster Anlauf, der 2020 während des ersten Corona-Lockdowns gestartet worden war, hatte dem Unternehmen trotz der Schließung von rund 40 Filialen, dem Abbau von etwa 4000 Stellen und der Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro an Schulden nur vorübergehende Entlastung gebracht.
Bereits Anfang 2021 und Anfang 2022 noch einmal musste der geschrumpfte Handelsriese angesichts der Pandemie um staatliche Unterstützung bitten. Insgesamt griff der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) dem Traditionsunternehmen in zwei Hilfsaktionen mit 680 Millionen Euro unter die Arme – ohne Erfolg.
Der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz, der auch schon das erste Schutzschirmverfahren als Sanierungsexperte begleitet hatte, zeigte sich zuletzt zuversichtlich, dass es dank des zweiten Schutzschirmverfahrens noch eine Perspektive für den Warenhauskonzern gebe. «Ich bin davon überzeugt, dass die Galeria-Warenhäuser eine Zukunft haben, wenn auch nicht in ihrer derzeitigen Form», betonte der Sanierer in einem Interview. Der Handelsriese müsse dafür allerdings kleiner und dezentraler werden. Galeria werde hoffentlich «in drei Kalenderjahren» wieder Gewinn machen. Vorher fielen wegen der Umstrukturierungskosten etwa für Umbauten sicher weitere Verluste an.