In Deutschland gilt freie Arztwahl. Den Arzt des eigenen Vertrauens darf sich jede und jeder Deutsche demzufolge selbst aussuchen. Dieses Recht gilt sowohl für Privatversicherte, als auch Patienten mit gesetzlicher Krankenversicherung. Trotzdem gibt es hinsichtlich der freien Arztwahl Ausnahmen und Einschränkungen. Welche sind das?
Ärzte können noch so kompetent sein: Wenn die persönliche Basis nicht stimmt, fühlen sich Patienten bei ihnen nicht gut aufgehoben. Die Arzt-Patienten-Beziehung ist genauso wichtig wie das medizinische Fachwissen. Um Patienten die Suche nach bestmöglich zu ihnen passenden Ärzten zu ermöglichen, gilt in der Bundesrepublik nach Paragraph 76 des Sozialgesetzbuchs das Recht auf freie Arztwahl. In der Praxis sind gesetzlich versicherte Patienten bei der Arztwahl in gewisser Weise trotzdem beschränkt. Anders als Privatversicherte, müssen sich Menschen mit gesetzlicher Krankenversicherung für Vertragsärzte entscheiden. Andere Mediziner dürfen sie nur in akuten Notfällen in Anspruch nehmen. Wer diesen Grundsatz missachtet, hat die Mehrkosten der Behandlung selbst zu tragen. Darüber hinaus sind Arztwechsel im laufenden Quartal für Patienten mit gesetzlicher Krankenversicherung nur aus wichtigen Gründen möglich.
Privatversicherte haben freiere Arztwahl. Sie wählen nicht nur aus Kassenärzten, sondern aus allen niedergelassenen Ärzten einen Mediziner ihres Vertrauens. Außerdem können sie zu jeder Zeit wechseln. Im Krankenhaus haben viele Privatversicherte sogar Anspruch auf Chefarztbehandlung. Einschränkungen der Arztwahl ergeben sich höchstens aus den individuellen Versicherungsbedingungen. Beschränkend wirken auch die Wartezeiten, die nach Abschluss einer Privatversicherung bis zum Inkrafttreten der Leistungen bestehen.
Seit 2007 müssen Krankenkassen ihren Versicherungsnehmern auf der Basis des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes besondere Wahltarife für die Teilnahme an Hausarztmodellen offerieren. Solche sind meist mit Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen verbunden und werden freiwillig gewählt. Im Rahmen des Hausarztmodells – der sogenannten hausarztzentrierten oder integrierten Versorgung – fungiert ein ausgewählter Allgemeinmediziner als Lotse. Patienten wenden sich mit jeder Art Beschwerde zuerst an ihn, um sich an ausgewählte Fachärzte weiter überweisen zu lassen. Ob nun zur neurologischen Begutachtung oder zur Untersuchung der Prostata. Insofern ist die freie Arztwahl in diesem Modell durch den Hausarzt beschränkt. Wer sich für die Teilnahme an der Versorgungsform einschreibt, bindet sich übrigens für mindestens ein Jahr an den gewählten Mediziner und verpflichtet sich dazu, fachärztliche Hilfe nur nach Überweisung in Anspruch zu nehmen.
Laut einer Umfrage der Ärztekammer Nordrhein (Düsseldorf) ist es 99 Prozent aller Deutschen wichtig, den Hausarzt frei wählen zu dürfen. Ihn jederzeit wechseln zu können, liegt fast 70 Prozent am Herzen. Fast ebenso viele Patienten pochen auf die Möglichkeit, ohne Überweisungsschein Fachärzte konsultieren zu können.
Berufsunfähigkeitsversicherer können die freie Arztwahl im Rahmen der Gesundheitsprüfung bekanntermaßen einschränken. Doch wie verhält es sich mit arbeitsmedizinischen Untersuchungen? Als zentrales Patientenrecht lässt sich das Recht auf freie Arztwahl nicht vom Arbeitgeber beschränken. Schreibt der Arbeitsvertrag im Krankheitsfall einen bestimmten Arzt vor, ist diese Vorschrift nach einer Entscheidung des Frankfurter Arbeitsgerichts unwirksam. Arbeitgeber müssen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des jeweils vom Arbeitnehmer gewählten Arztes akzeptieren. Bestehen Zweifel am Attest, können sie höchstens den medizinischen Dienst der jeweiligen Krankenkasse zur Prüfung einschalten. Auch im Rahmen arbeitsmedizinischer Untersuchungen behalten Verbraucher ihr Recht auf freie Arztwahl. Sie müssen hierbei lediglich einen zur Gesundheitsprüfung qualifizierten Arzt auswählen. Das muss nicht zwingend der Betriebsarzt sein, sondern lediglich ein Mediziner mit arbeitsmedizinischem Fachwissen.
Achtung bei der Kostenfrage! Entscheiden sich Arbeitnehmer gegen den Betriebsarzt, muss der Arbeitgeber die Untersuchungskosten nicht übernehmen. Patienten müssen die Kosten in solchen Fällen oft aus eigener Tasche zahlen, weil auch Versicherer die Übernahme ablehnen können.
Bei einzelnen Vorsorge- und Eignungsuntersuchungen müssen Arbeitgeber die Ergebnisse frei gewählter Ärzte nicht anerkennen und können Untersuchungen durch den Betriebsarzt verlangen. Die Pflicht zur betriebsärztlichen Untersuchung gilt gemäß eines Urteils (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz) beispielsweise für Berufsgruppen wie Beamte.
Nach Arbeitsunfällen verlangt die gesetzliche Unfallversicherung eine ärztliche Einschätzung der Verletzungen. Diese Ersteinschätzung muss ein sogenannter Durchgangsarzt (D-Arzt) vornehmen, damit der Versicherer sie anerkennt. Patienten entscheiden in diesem Fall nicht selbst, welchen Arzt sie mit ihren Verletzungen aufsuchen. Der gewählte Mediziner muss über eine Spezialzulassung der Berufsgenossenschaft verfügen, die ihm Fachwissen im Hinblick auf Unfallverletzungen bescheinigt. Nach der Untersuchung schlagen Durchgangsärzte dieser Art Vorschläge zur optimalen Behandlung des Patienten. Mögliche Maßnahmen wären beispielsweise Reha-Aufenthalte oder Facharztbesuche. Nichtsdestotrotz sind Patienten nicht dazu verpflichtet, Ratschläge eines D-Arztes auch anzunehmen. Grundsätzlich haben sie nach ihrem Besuch beim Durchgangsarzt freie Arztwahl. Inwieweit die Kasse für die Kosten nicht verordneter Maßnahmen aufkommt, hängt vom Einzelfall ab.