Die seltenen Fischadler aus Baden haben aller Wahrscheinlichkeit nach die Flatter gemacht. Zumindest sind auf Bildern einer Kamera am Nest in der Region Rastatt schon seit einigen Tagen keine der Vögel mehr zu sehen, wie Ornithologe Daniel Schmidt-Rothmund vom Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg sagte. Die Eltern Chronos und Kepler sowie der diesjährige Nachwuchs – Fuchur, Artax und Luna – dürften also wie erwartet etwa Ende August in Richtung Afrika aufgebrochen sein, wo die Vögel überwintern.
Dass der Nachwuchs dieses Jahres sowie die beiden Jungtiere im vergangenen Jahr überlebt haben, ist nach Einschätzung von Schmidt-Rothmund etwas Besonderes. Im ersten Jahr liege die Überlebenswahrscheinlichkeit bei etwa 50 Prozent. Vor allem Uhus, die auch in Baden-Württemberg heimisch sind, plünderten gerne Fischadler-Nester.
Doch damit ist der Fortbestand nicht automatisch gesichert. Sommer und Winter hätten jeweils ihre Tücken, sagte der Leiter des Nabu-Vogelschutzzentrums Mössingen. „Es gibt eine ganze Reihe an Unwägbarkeiten.“ Auf dem Weg über die Straße von Gibraltar könnten die Vögel gegen Windkraftanlagen stoßen. Häufig ertrinken Fischadler den Angaben zufolge, wenn sie sich in Netzen verheddern, die zum Schutz über Fischteiche gespannt werden.
Fischadler (Pandion haliaetus) sind als gefährdet eingestuft. 1907 waren die Greifvögel hierzulande als vermeintliche Nahrungskonkurrenten ausgerottet worden. Nach 116-jähriger Pause gab es 2023 die erste nachweislich erfolgreiche Fischadler-Brut im Landkreis Rastatt.
Schon davor lebten Weibchen Chronos und Männchen Kepler zwei Jahre als Paar zusammen, wie Schmidt-Rothmund sagte. Daher sei damit zu rechnen, dass sie auch im kommenden Frühjahr wieder die rund 5.000 Kilometer zurücklegen und in die Oberrheinebene kommen.
Ob die jungen Fischadler des Jahrgangs 2023, Balbü und Kju, nächstes oder übernächstes Jahr zurückkehren, bleibt abzuwarten. Der Nabu beringt alle Jungtiere. Aber wenn diese nicht zufällig fotografiert und die Bilder dann den Fachleuten geschickt werden, bleibt der Verbleib der Tiere unklar. Mit Sendern sei noch kein badischer Fischadler ausgestattet.
In der Regel kommen die Männchen bis auf einige Kilometer in die Nähe des Schlupfortes zurück, wie Schmidt-Rothmund erklärte. Die Weibchen siedelten sich hingegen häufig weiter entfernt an. So werde in der Natur Inzucht vermieden. Von einer gesicherten Population in einer Region kann man laut Nabu ab ungefähr zehn Fischadler-Paaren sprechen. Am Oberrhein lebe ein zweites Paar auf französischer Seite.
Jenes aus Rastatt stammt aus Sachsen-Anhalt. Damit sich die Tiere auch woanders ansiedeln, hat der Nabu mit Partnern in ganz Deutschland ein Netzwerk aufgebaut und Horste installiert. So hat auch Schmidt-Rothmund neue Nisthilfen bei Offenburg organisiert.
Fischadler werden rund 60 Zentimeter groß und können wegen schmaler Flügel mit großen Möwen verwechselt werden. Ihre Unterseite ist bis auf ein dunkles Brustband weiß, die Oberseite dunkelgraubraun. Der Kopf ist weiß mit einem dunklen Band um die Augenpartie. Der Greifvogel frisst den Angaben zufolge ausschließlich Fische und stürzt dafür ins Gewässer. „Seine Jagdtechnik hat er perfektioniert, so kann er sie in bis zu einem Meter Wassertiefe noch erbeuten.“ Damit ihr Gefieder beim Tauchen nicht durchnässt, pflegen die Tiere es akribisch mit Fett aus einer vergrößerten Bürzeldrüse am Schwanz.