Karlsruhe (dpa/lk) – Angesichts drohender Gefahr aus dem Netz müssen sich Firmen, öffentliche Einrichtungen und Institutionen aus Sicht eines Experten besser vorbereiten.
Nachrichtenübermittlung, Energieversorgung, Verkehr, Industrieproduktion, Forschung, Verwaltung – nahezu kein Bereich kommt in einem hochentwickelten Land ohne moderne Informations- und Kommunikationstechnologien aus. „Attacken auf die digitale Infrastruktur durch kriminelle oder staatliche Organisationen bedrohen nicht nur den Wohlstand und die Sicherheit unserer Gesellschaft, sondern auch die Freiheit und Demokratie“, warnt Professor Jörn Müller-Quade vom Karlsruher Institut für Technologie.
Cybersicherheitsexperten wie Müller-Quade bemängeln schon lange, dass Firmen, öffentliche Einrichtungen und Institutionen nicht gut auf digitale Bedrohungen vorbereitet seien. „Wir müssen jetzt dringend mehrstufige Sicherheitskonzepte für kritische Infrastrukturen erarbeiten, die insbesondere auch analoge Notfallpläne haben“, sagte der Karlsruher Experte. So mache etwa der Ausfall der Fernsteuerung Tausender Windräder in der vergangenen Woche hellhörig.
Darüber hinaus bemängelte der Professor, dass Europa sehr von Soft- und Hardware aus Drittländern abhängig sei. „Deren Schwachstellen können wir nur bedingt durchschauen, weil wir die Quellcodes nicht kennen.“ In Europa müsse mehr eigene stabile Software produziert werden, deren Quellcode frei einsehbar ist, also kollektiv verändert werden kann. „Attacken auf die digitale Infrastruktur durch Kriminelle oder staatliche Organisationen bedrohen nicht nur den Wohlstand und die Sicherheit unserer Gesellschaft, sondern auch Freiheit und Demokratie.“
Der ganz große Angriff im sogenannten Cyberkrieg könnte dennoch ausbleiben, sagte Müller-Quade. „Der große Knall ist nicht immer das Ziel, insbesondere weil dieser sofort bemerkt wird und Gegenmaßnahmen auslöst.“ Viele Angriffe liefen im Hintergrund, um beispielsweise Ziele auszuspähen und größere Attacken vorzubereiten.
Den Aufbau einer Cyber-Armee, wie er im Zuge der geplanten Investitionen von 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr debattiert wird, sieht Müller-Quade nicht als große Priorität. Es müsse darum gehen, dass wichtige Einrichtungen auch dann noch funktionieren, wenn IT-Systeme versagen. „Ich würde hier im übertragenen Sinne also hauptsächlich in Festungen investieren und nicht in Kanonen.“