Etwa ein Drittel der Ausbildungsplätze in der Region unbesetzt – Handwerk setzt auf Imagewechsel

04. September 2023 , 18:21 Uhr

Region (lea) – Immer mehr Arbeitsplätze stoßen auf immer weniger Interessierte. Mit diesem Phänomen sehen sich Ausbildungsbetriebe vor allem zum 1. September, dem traditionellen und alljährlichen Start der Ausbildung, konfrontiert. So verzeichnet beispielsweise die Handwerkskammer Karlsruhe derzeit noch circa 300 offene Lehrstellen. Vor allem in Branchen, die die Energiewende umsetzen sollen, fehlt es an allen Ecken und Enden an Fachkräften. Ein Imagewechsel der Ausbildung muss her, fordern daher Experten. Und auch wer sich noch spontan für eine Ausbildung entscheidet, wird mit offenen Armen empfangen: Denn auch noch im Oktober oder November ist ein Einstieg möglich.

Kein Notstand, aber Konkurrenz

„Es gibt keinen Notstand in der Ausbildung“, betont Alexander Fenzl energisch. „Aber trotzdem“, wendet der Leiter der Wirtschaftsbeobachtung und Imagepflege der Handwerkskammer Karlsruhe ein, „Konkurrenz gibt es schon“. Im Moment registriert seine Bilanz circa 300 offene Lehrstellen. Ähnlich sieht es bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Karlsruhe aus: „Wie in den letzten Jahren auch sind bei uns noch viele Stellen unbesetzt“, erläutert Wencke Kirchner-Wirth. 450 bis 500, um genau zu sein. „Und bei der Agentur für Arbeit sind noch mehr freie Stellen gemeldet“, fügt die Geschäftsbereichsleiterin für Aus- und Weiterbildung an.

Babyboomer hinterlassen große Lücke

Die Zahl der absolvierten betrieblichen Ausbildungen, beispielsweise in der Industrie oder dem Handel, nimmt in Deutschland seit Jahren ab. Während die Deutsche Industrie- und Handelskammer 2016 noch 780.000 Ausbildungsverträge verzeichnen konnte, waren es im vergangenen Jahr circa 100.000 weniger. Händeringend werden junge Leute gesucht, die die durch die Babyboomer hinterlassene Lücke schließen könnten.

Keine Energiewende ohne Fachkräfte

Dazu kommt, dass manche Branchen noch mehr Ausbildungsplätze als vor einigen Jahren besetzen möchten und müssen. Denn vor allem die Energiewende und damit verbundene Umstrukturierungsmaßnahmen erfordern mehr Personal. „Vor allem die Elektroniker oder auch die Anlagenmechaniker sind diejenigen, die am meisten ausbilden. Gleichzeitig haben sie aber auch die meisten freien Plätze“, so Fenzl. Die Hotel- und Gastronomiebranche stünde hingegen in diesem Jahr personell besser da als sonst, betont Kirchner-Wirth.

Handwerk blickt in sichere Zukunft

„Im Handwerk gibt es Chancen ohne Ende“, betont Wirtschaftsbeobachter Fenzl. Die gestiegene Auftragslage führe dazu, dass Auszubildende in eine gesicherte, vielleicht sogar goldene Zukunft blicken können. Und nicht nur das sei ein Vorteil, hebt auch Kirchner-Wirth hervor: „In einer Ausbildung bekommt man vom ersten Tag Geld, das ist nicht unerheblich heute.“ Zudem vom ersten Tag an in ein Team integriert sein und Gelerntes schnell in die Praxis umsetzen können – die Liste der positiven Aspekte sei lang.

Überfordert die Vielfalt der Angebote die Jugend?

Dass etwa ein Drittel der Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben wird, führen die beiden Experten auf vielfältige Gründe zurück. Der demographische Wandel in Verbindung mit einer abnehmenden Zahl an Jugendlichen in Deutschland ist dabei nur ein Aspekt. „Es ist die Vielfalt, die junge Menschen nach dem Schulabschluss haben“, findet Kirchner-Wirth. Es gebe viele Varianten und Wege, einen Beruf zu erlernen. Die Qual der Wahl verunsichert potenzielle Auszubildende. Hinzu kommt, dass die Studienneigung unter jungen Erwachsenen weiter steigt.

Imagewechsel noch immer nicht vollzogen

Ein Imagewechsel des Handwerks muss her, darin sind sich alle einig. Dieses Ansinnen ist nicht neu: „Seit etwa zehn Jahren kümmern wir uns darum“, erinnert sich Alexander Fenzl. „Jeder braucht das Handwerk, aber nicht jeder will es machen“, das sei des Pudels Kern. Noch immer beobachtet Fenzl eine Diskrepanz zwischen der Wertschätzung des Handwerks auf der einen und den sinkenden Ausbildungszahlen auf der anderen Seite. Für ihn eine Frage der Informierung. Die sei vor allem in Zeiten der Pandemie zu kurz gekommen. Daher möchte er dort ansetzen.

Ausbildungsstart im November ist kein Problem

Obwohl der offizielle Ausbildungsstart auf den 1. September fällt, ist ein Einstieg auch noch später möglich. „Ein oder zwei Monate fallen nicht so ins Gewicht“, erklärt Fenzl. Auf ihrer Internetseite bietet die Handwerkskammer zudem eine Lehrstellenbörse an. Dort kann man sehen, wo es für Kurzentschlossene noch freie Plätze gibt. Und auch die IHK Karlsruhe und die Agentur für Arbeit bieten individuelle Beratungen an. Damit das Handwerk weiterhin in eine goldene Zukunft blicken kann.

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