Karlsruhe (dpa/lk) – Bald ist das Jahr zu Ende: Am Freitag ist Silvester und das wird – wie vergangenes Jahr auch – wieder relativ ruhig ausfallen. Die Regierung hat erneut ein Böller- und Feuerwerksverbot verhängt. Damit soll vor allem das Gesundheitswesen geschützt werden. Ziel sei es, Unfälle durch den unsachgemäßen Gebrauch von Knallkörpern und Raketen zu vermeiden und damit die durch Corona bereits extrem belasteten Krankenhäuser und Intensivstationen zu entlasten. Das trifft die Branche natürlich vor allem finanziell hart.
Die Feuerwerksbranche macht an Silvester rund 95 Prozent des gesamten Jahresumsatzes, sagt der Verband der pyrotechnischen Industrie. Mit dem erneuten Verkaufsverbot von Silvesterfeuerwerk würden die Unternehmen daher im zweiten Jahr in Folge praktisch ohne Einnahmen bleiben. Viele Hersteller seien akut in ihrer Existenz bedroht, die komplette Branche stehe vor dem Ruin. Daher fordern die Feuerwerk-Hersteller mehr staatliche Hilfen. Heiko Röder betreibt einen Feuerwerksshop und wollte herausfinden, ob Feuerwerk wirklich so gefährlich ist, wie immer behauptet wird. „Wir haben nach dem Desaster im letzten Jahr recherchiert und eine Forsa-Studie in Auftrag gegeben. Die sollte analysieren, wie die Deutschen zu Feuerwerk stehen. Und ob es die Verletzungen, von denen immer die Rede ist, wirklich gibt.“
Per Gesetz ist definiert, dass von Silvesterfeuerwerk eine „geringe Gefahr“ ausgehen muss. „Die Studie ergab, dass sich zehn Prozent der Befragten zwar einmal im Leben mit Feuerwerk verletzt hatten. Aber nur sehr leicht und kaum jemand war deswegen im Krankenhaus“, führt Röder die Ergebnisse der Studie aus. Daraufhin habe er Kliniken angeschrieben, um von dort ein Stimmungsbild einzuholen. Der Konsens der Krankenhäuser war ähnlich: Es gebe zwar Verletzungen an Silvester. Aber nur fünf Prozent davon hätten direkt mit Feuerwerkskörpern zu tun. „Die anderen Verletzungen gehen auf Schlägereien und Verbrennungen durch beispielsweise Feuerzangenbowle zurück. Meist ist da dann Alkohol im Spiel.“ Schwere Verletzungen führt Röder teils auch auf illegale Böller aus dem Internet zurück.
Seine Ergebnisse habe Röder an die Politik herangetragen. „Wir haben versucht, der Politik zu sagen, dass sie keine eigenen belastbaren Zahlen hat. Wir wurden aber ignoriert. Erneut wurde die Entscheidung mit den vielen schweren Verletzungen begründet. Man hat schon das Gefühl, dass der ein oder andere Politiker das Verbot gerne aus persönlichem Interesse hätte. Aber nicht wegen Daten und Fakten.“ Die Feuerwerksbranche sei die einzige in ganz Deutschland, die keinen Umsatz haben dürfe. „Wir arbeiten das ganze Jahr darauf hin, weil wir nur drei Tage zum Verkaufen haben und einen Tag, an dem das Feuerwerk gezündet wird. Es kann nicht sein, dass man versucht, diese Branche zu töten.“ Die Deutschen würden sich stattdessen im Internet oder im Ausland mit Knallern eindecken.
Doch das birgt Gefahren. Denn durch das Feuerwerksverbot in Deutschland ist der Schwarzmarkt in den Fokus gerückt. Viele Deutsche fahren ins benachbarte Ausland, wo es kein Verkaufsverbot gibt. „Die Deutschen pilgern zu Shops in Polen und Tschechien und kaufen dort in Massen ein. Wir haben Bilder und Beweise von Schlangen mit deutschen Käufern und Autos mit deutschen Kennzeichen. Man merkt, dass die Leute Feuerwerk wollen. Und das hat auch die Forsa-Umfrage ergeben: 90 Prozent der Befragten sehen das Silvesterfeuerwerk als Tradition an.“ In diesem Zusammenhang warnen Experten vor dem Gebrauch von illegalen Böllern aus dem Ausland. Es solle immer auf eine Zertifizierung geachtet werden. Beim Abschießen von Restbeständen gelte maximale Aufmerksamkeit und Vorsicht.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov unterstützen jedoch zwei Drittel der befragten Bürger das Böller-Verbot. 66 Prozent stellten sich demnach hinter die Entscheidung der Politik, nur 27 Prozent halten die Entscheidung für falsch, 7 Prozent machten keine Angaben. Unter den Grünen-Wählern ist die Unterstützung für das Verbot besonders groß. Umweltschützer fordern bereits seit Jahren ein vollständiges Verbot für die Böllerei. Sie verweisen auf die Feinstaubbelastung durch Böller und Raketen sowie auf den Stress für Wild- und Haustiere. Das erneute Verkaufsverbot müsse als „Chance für neue Bräuche“ gesehen werden, sagte der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe, Jürgen Resch. „Für die Zeit nach Corona empfehlen wir den Kommunen kreative Licht- und Lasershows oder gar eine Drohnenshow.“