Karlsruhe (dpa/lsw) – Der Karlsruher Energieversorger EnBW will den Ausbau erneuerbarer Energien in diesem Jahr stark vorantreiben. Noch im ersten Quartal stehe die Investitionsentscheidung für den Offshore-Windpark He Dreiht in der Nordsee an, sagte Vorstand Georg Stamatelopoulos, der für nachhaltige Erzeugungsinfrastruktur zuständig ist, der Deutschen Presse-Agentur.
Mit einer Leistung von rund 900 Megawatt (MW) bei Inbetriebnahme 2025 würde für die EnBW die derzeitige Energieerzeugung durch Windkraft auf dem Meer nahezu verdoppelt. Erste Lieferverträge etwa für die Turbinen seien schon geschlossen. Noch müssten die Behörden den Bau aber genehmigen, erst dann falle die endgültige Entscheidung.
«Dieser Windpark wird ohne Förderung realisiert», betonte Stamatelopoulos. «Das basiert hundertprozentig auf dem Markt.» So würden vorab Stromlieferverträge (PPA) mit Firmen wie Fraport, Evonik und Salzgitter geschlossen, weitere seien in Vorbereitung. «Wir peilen an, dass wir circa die Hälfte der Leistung, also 450 Megawatt, bereits über PPAs verkaufen», sagte der 53-Jährige. Dieser Trend – Stromverkauf über den Markt statt Förderungen – sei eine gute Entwicklung und erlaube «die echte Vermarktung der Erneuerbaren», sagte er. «Das ist der Weg, den wir für alle Erneuerbaren sehen.»
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekräftigte das Ausbauziel für Windenergie auf See von 30 Gigawatt (GW) bis 2030. «Das ist schaffbar», sagte er am Dienstag im niedersächsischen Cuxhaven bei Siemens Gamesa, wo Turbinen für diese Anlagen hergestellt werden.
Auch an Land – also onshore – will EnBW die Leistung von fast einem GW bis 2025 annähernd verdoppeln. 180 MW seien aktuell im Bau. Dabei werde im Grunde in ganz Deutschland investiert, sagte der Vorstand.
Um beim Ausbau voranzukommen und die Ziele der Energiewende erreichen zu können, wünscht sich der Manager mehr ausgewiesene Flächen für Erneuerbare sowie schnellere Genehmigungsverfahren. Die eingeleiteten Schritte von Bundes- und Landesregierung bewertete Stamatelopoulos zwar als gut. Doch gerade bei den Genehmigungen von Windkraftanlagen brauche es mehr Standardisierung und Digitalisierung.
Dabei gehe es nicht darum, die rund 18 000 Seiten Papier, die man für einen Windpark einreichen müsse, als PDF zu verschicken, betonte er. «Um das Projekt Energiewende zu stemmen, bedarf es mehr Personal und einer besseren IT-Unterstützung in den Ämtern.» Ziel müssten einheitliche Checklisten für die Genehmigungsbehörden sein. Noch gingen die Behörden unterschiedlich vor, so Stamatelopoulos. Wie schnell es in Deutschland auch gehen kann, zeige dieser Tage der Bau von Terminals für Flüssiggas (LNG).
Am Montag hatte das Bundeskabinett die Umsetzung neuer EU-Regeln auf den Weg gebracht, um unter anderem die Genehmigung von Windrädern zu beschleunigen. So soll oft die Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen. Habeck sprach von einem «Windausbau-Beschleuniger». Der Vorsitzende der Organisation BUND, Olaf Bandt, kritisierte dies am Dienstag, diese Prüfung für weite Teile der Landschaft abzuschaffen, gefährde die Natur, beschleunige aber die Planungen kaum.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte jüngst bekräftigt, kommendes Jahr sollten 100 Windräder im Südwesten gebaut werden. Stamatelopoulos hält diese Zahl für realistisch. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine und der Energiekrise gehe der Widerstand in der Bevölkerung spürbar zurück, und vermehrt kämen Gemeinderäte oder Bürgermeister mit konkreten Projektvorschlägen auf die EnBW zu. «Ich glaube, die Menschen haben leider erst mit dem Ukraine-Krieg verstanden, wie wichtig die sichere Energieversorgung ist.»
Hier spiele auch die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes eine Rolle, nach der Gemeinden nun beteiligt würden. «Zusätzlich bieten wir auch Bürgern eine Beteiligung an unseren Windparks und an unseren Photovoltaikanlagen an», erklärte Stamatelopoulos. Das werde auch angenommen und verbessere die Akzeptanz für die Anlagen.
Bei Photovoltaik – also Strom durch Sonnenenergie – hat EnBW in den vergangenen fünf Jahren das Portfolio auf 824 MW verzehnfacht. Geplant sei in diesem und im kommenden Jahr ein Ausbau von 90 beziehungsweise mehr als 200 MW. Bis 2025 solle sich auch hier die Leistung mehr als verdoppeln, sagte Stamatelopoulos. Insgesamt will der Konzern im Zeitraum 2021 bis 2025 mehr als vier Milliarden Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiertet haben.
Der drittgrößte deutsche Versorger EnBW ist seit 2011 größtenteils im Besitz der öffentlichen Hand. Das Land Baden-Württemberg hält fast 47 Prozent an dem Konzern, und dem Zusammenschluss OEW von neun oberschwäbischen Landkreisen gehören ebenfalls fast 47 Prozent. Seit dem vereinbarten Ausstieg Deutschlands aus der Kernkraft krempelt das Management den einstigen Atomstromer auf Erneuerbare um.
Damit die Umsetzung ohne Fördergelder klappe, müsse der Markt funktionieren, sagte Stamatelopoulos. Dafür sei es wichtig, dass die Abschöpfung der Erlöse wie geplant zeitlich begrenzt bleibe.
Mit 126 Terawattstunden aus Wind und 59 aus Sonne erzeugte Deutschland im vergangenen Jahr innerhalb der EU die meiste Wind- und Solarenergie, wie aus einer Analyse der Denkfabrik Ember Climate hervorgeht. Die Anteile der Wind- und Solarenergie am deutschen Strommix von rund 20 beziehungsweise 10 Prozent waren verglichen mit anderen EU-Ländern jedoch geringer. Aber erstmals ist 2022 in der EU mehr Strom aus Wind und Sonne produziert worden als aus Gas.