Durch den Konsum - Eine Zeitreise durchs Einkaufen im Enzkreis

15. Juni 2021 , 06:00 Uhr

Knittlingen (dpa/lk) – Nostalgie und Gegenwart, ein ehemaliges Kaufhaus in der kleinen Stadt Knittlingen im Enzkreis wirkt wie aus der Zeit gefallen. Nun wird es als Pop-Up-Museum kurzzeitig wiederbelebt und ermöglicht manchen Blick auf Leben, Alltag und auch durch Corona veränderten Konsum.

Charme eines halben Jahrhunderts

Ein bisschen Niespulver gefällig? Strohblumen oder Rollschuhe? In knisternd-durchsichtige Folie verpackte Herrenhemden vielleicht? In flachen Pappschachteln verstaute Miederwaren aus den 60ern? Oder doch lieber eine Damen-Garnitur der Marke Margret plus der Kinder-Unterwäsche „Tausendsassa“? Weit mehr als ein halbes Jahrhundert war das kleine Kaufhaus Leitz in Knittlingen Anlaufstelle und Treffpunkt für die Menschen in dem 8.000-Einwohner-Städtchen. Egal was, das Kaufhaus hatte es ganz bestimmt und wenn nicht, dann besorgte es die inzwischen 86 Jahre alte Inhaberin Annelore Leitz, dauerte halt. 


Foto: Hendrik Zwietasch/Landesmuseum Württemberg

Konsumverhalten vergangener Tage

Ihr kleines, vor einigen Jahren endgültig geschlossenes Kaufhaus erwacht nun für zwei Wochen zu neuem Leben. Als Pop-Up-Museum, ein Projekt des Museums der Alltagskultur mit Sitz in Waldenbuch, öffnet es unter dem Motto „Kaufhausgeschichten“ für Besucher. Eine Zeitreise durch alles, was mal wichtig war, vor Internet und Shoppingmalls. Ein Blick auf Konsumverhalten und Freizeitgestaltung längst vergangener Tage, auf Leben und Lebensabschnitte. „Alle Gegenstände sagen ja etwas aus über uns und unser Lebensgefühl“, sagte Museumsleiter Markus Speidel.

Kaufhausgeschichten aus Knittlingen

Ein wenig aufgeregt und rüstig auf ihren Stock gestützt steht Leitz da, wo sie fast sechs Jahrzehnte immer stand: An der Eisenkasse mit Schublade, hinter dem Glastresen, inmitten von Waren, die über die Jahre keine Abnehmer fanden. Sie sei glücklich über die Aufmerksamkeit, die Aufwertung ihres Kaufhauses, das mal ihr Leben war und an das sich viele Knittlinger noch erinnern, erzählt sie. Als das Museum auf sie zukam mit der Pop-Up-Idee, „bin ich nicht erschrocken, ich hab‘ mich gefreut“. Museumsleiter Speidel war vor drei Jahren über einen Zeitungsartikel auf das Kaufhaus aufmerksam geworden, erzählt er. Mit den „Kaufhausgeschichten“, dem ersten Pop-Up-Projekt seines Hauses, wollte er genau das: „Geschichten erzählen über das Einkaufen als sozialer Akt und auch Geschichten über das, was sich dabei durch Corona verändert hat.“

Mit Waren vollgestopfter Laden


Foto: Hendrik Zwietasch/Landesmuseum Württemberg

Projektleiterin Michaela Krimmer hatte für die auch interaktive Ausstellung zuvor mit ihrem Team Postkarten in jeden Knittlinger Haushalt geworfen mit der Frage „Einkaufen bedeutet für mich…“; die Antworten sind zum Teil im Kaufhaus Leitz aufgehängt. Vor Eröffnung des Pop-Up-Museums wühlte sich Krimmer durch Unmengen liegengebliebener Waren im völlig zugestopften Laden, sortierte, strukturierte, packte den Rest in insgesamt 80 Kisten und verfrachtete sie in den ersten Stock. Übrig geblieben als Blickfang für die Besucher ist immer noch mehr als genug, darunter kleine Preziosen wie eine Ölbohrinsel für Kinder – „ein Spielzeug, was es so heute sicher nicht mehr zu kaufen gäbe“, sagt Krimmer, – oder ein Spiel zur Sendung „Wetten dass..?“ mit einem nostalgischen Konterfei von Showmaster Frank Elstner. Aber auch ganz normaler Kram: Schulhefte, Geschenkpapier, Wolle. Gegliedert ist der Rundgang in die Bereiche Einkaufen, Kleidung, Freizeitaktivitäten sowie Schule und neue Lebensabschnitte.

„Wegwerfen liegt uns Schwaben nicht“

Der Besucher wird entlang geführt an nie verkauften Waren wie etwa verblichenen Briefkarten, altmodischer Unterwäsche, Strohblumengebinden oder Spielsachen. Warum Leitz selber nie was aussortierte? „Wegwerfen liegt uns Schwaben nicht“, sagt sie, Punkt, aus. Verödung von Innenstädten wird thematisch angerissen, ebenso wie Überfluss und Verschwendung von Kleidung. Mitmachen ist ebenfalls gewünscht bei der auch interaktiven Präsentation: Gäste können Waren heraussuchen und auf Zetteln notieren, was sie mit dem Gegenstand verbinden, woran er erinnert oder welche Sehnsüchte er weckt. Vom 11. Juni bis zum 27. Juni ist das Pop-Up-Museum an drei Wochenenden geöffnet. Dann endet das Projekt und das Kaufhaus fällt wieder in den Dornröschenschlaf. „Dabei würde ich mich freuen, wenn es irgendwie weitergeht“, sagt Leitz. „Egal wie.“

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