Drei Clubs im Südwesten dürfen Party-Versuche wagen

30. Juni 2021 , 14:57 Uhr

Mannheim (dpa/lsw) – Rund 15 Monate lang waren Diskotheken im Südwesten geschlossen. Am Wochenende soll an drei Orten wieder gefeiert werden dürfen – ohne Maske und Abstand. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den Modellversuchen sollen bei weiteren Öffnungen helfen.

Tanzwütige Gäste – ohne Maske und ohne Mindestabstand

Welche Musik bei der ersten Party seit über einem Jahr laufen soll? René Minner weiß es noch nicht so genau. «Das müssen wir noch entscheiden», sagt der Mitbetreiber des Ravensburger Clubs Kantine. «Wir konnten uns bislang ja nicht ganz sicher sein, dass das mit der Öffnung auch wirklich klappt.» Doch seit Montagabend ist klar: Der 38-Jährige darf seinen Club am Wochenende erstmals seit Beginn der Corona-Krise wieder für tanzwütige Gäste öffnen – ohne Maske und ohne Mindestabstand. Die Kantine ist einer von drei Clubs im Land, deren Wochenend-Partys das Sozialministerium als Modellversuche genehmigt hat. Auch der Rave-Club Douala in Ravensburg und der Hafen49 in Mannheim dürfen zum Tanzen einladen, am Rhein findet die Veranstaltung am Sonntagabend unter freiem Himmel statt. Insgesamt 1200 Gäste dürfen in den beiden Städten höchstens dabei sein. Die 500 Online-Tickets für die Open-Air-Veranstaltung in Mannheim waren nach Angaben des Veranstalters innerhalb von eineinhalb Stunden vergriffen.

Modellversuche sollen Erkenntnisse für weitere Öffnungen bringen

Aus den Modellversuchen erhofft sich das Land Erkenntnisse zur Übertragung des Coronavirus bei unterschiedlichen Veranstaltungen. Deshalb werden die Öffnungen in Ravensburg und Mannheim wissenschaftlich begleitet. Die Resultate könnten nach Angaben des Sozialministeriums Grundlage für weitere Erleichterungen in der Clubszene sein – «sofern die Ergebnisse vielversprechend und weitere Öffnungen verantwortbar sind». Seit Montag dürfen Diskotheken im Land zwar auch abseits der Modellversuche wieder öffnen, allerdings nur bei Inzidenzwerten bis zu zehn sowie unter strengen Auflagen: Zum Beispiel dürfen Clubs nur einen Gast pro zehn Quadratmetern Fläche einlassen, zudem müssen die Feiernden Mindestabstände und Maskenpflicht einhalten. Geimpft, genesen oder getestet müssen die Besucher ebenfalls sein. Die Interessengemeinschaft Clubkultur Baden-Württemberg bezeichnete die Vorgaben in einem offenen Brief als «Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die seit über 15 Monaten versuchen, ihre eigene Existenz zu sichern». In allen anderen Branchen habe die Landesregierung großzügig gelockert, das Nachtleben werde «de facto unterbunden».

Distanzloses Tanzen

Das Sozialministerium warb um Verständnis für die vorsichtigen Lockerungen. «Wir verstehen, dass gerade die Club-Betreiber vor großen Herausforderungen stehen, da sie zu den Branchen mit den längsten Schließzeiten während der Pandemie gehören», sagte ein Sprecher. In Diskotheken seien Infektionen aber mit am wahrscheinlichsten: «Innenräume, wenig Abstand, tanzendes Publikum, feucht-fröhliche Atmosphäre. Hier haben die Aerosole leichtes Spiel.» Wie gefährlich das distanzlose Tanzen ohne Maske tatsächlich ist, sollen nun die drei Modellprojekte näher beleuchten. Deshalb sind die Partygäste am Wochenende nicht nur verpflichtet, sich vor dem Feiern testen zu lassen, sondern auch angehalten, einige Tage später einen PCR-Test vornehmen zu lassen. Vor dem Feiern reicht ein Antigen-Schnelltest. René Minner setzt in der Kantine auf ein «Testpfand», um sicherzustellen, dass viele Gäste mitmachen: «Wir brauchen eine Quote von 80 Prozent bei den Nachtests, damit das Modellprojekt nicht abgebrochen wird.» Deshalb sollen die Besucher vor der Party Geld zahlen, das sie nur nach einem Nachtest wiederbekommen. Die genaue Summe war zunächst unklar.

Partywochenende wird sich finanziell nicht lohnen

Rechnen werde sich das Partywochenende bei einer Auslastung von höchstens 40 Prozent vermutlich nicht, sagt Club-Betreiber Minner. «Früher hätte ich gesagt: schwierig. Heute sage ich: Hauptsache auf.» Es gehe darum, «wieder auf der Bildfläche zu sein».Allerdings sei es nach der langen Zwangspause schwierig, Mitarbeiter für die Öffnungen zu finden, sagt der Sprecher der IG Clubkultur, Simon Waldenspuhl. «Aus ersten Erfahrungsberichten stehen die Clubs und Spielstätten da vor ähnlichen Herausforderungen wie die Gastronomie. Große Teile der alten Belegschaften haben sich zwangsmäßig umorientieren müssen.» Wie viele Clubs die Corona-Krise überleben, sei zudem immer noch nicht absehbar.Umso wichtiger sind die Erkenntnisse aus den Modellöffnungen. Bei René Minner in Ravensburg ist die Freude darüber groß, auch ohne wirtschaftlichen Gewinn: «Vorher hatten wir null Euro Umsatz, das ist doch jetzt schon mal besser.»

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