Region (lea) – Essen gehen, oder doch lieber selbst kochen? Diese Frage wird sich in zahlreichen Haushalten mit Blick in den Geldbeutel im neuen Jahr häufiger stellen. Denn zum Jahreswechsel klettert die Mehrwertsteuer von sieben wieder auf den vor-Pandemie-Satz von 19 Prozent. Von Kanzler Scholz‘ Aussage, die Mehrwertsteuer werde nie wieder abgeschafft, ist angesichts von Haushaltsproblemen nicht mehr viel übriggeblieben. Und so fürchtet die Gastrobranche Umsatzeinbußen und Pleiten. Denn laut Baden-Württemberg-Report sagen 41 Prozent der Befragten, sie würden zukünftig weniger oft essen gehen.
Sieben statt 19 Prozent für Speisen in Restaurants und Cafés – das hatte die damals noch CDU-geführte Regierung 2020 etabliert, um die Gastronomie während der Pandemie zu entlasten. Durch mehrmalige Verlängerung galt die gesenkte Steuer fast dreieinhalb Jahre lang. In den Köpfen der Restaurantbesucher war sie schon fast zur Normalität geworden.
Unter anderem auch aufgrund einer Aussage von Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Wahlarena der ARD im September 2021: „Ich habe zugestimmt in dem Bewusstsein: Das schaffen wir nie wieder ab.“ Der Satz, fast wie ein Versprechen an die Gastronomie, gehört der Vergangenheit an. „Man hat gehofft und irgendwie hat man schon gedacht, wir kriegen vielleicht noch mal eine Verlängerung“, sagt Gastronom Daniel Widmaier frustriert. Seit 18 Jahren betreibt er gemeinsam mit Patrick Burkhardt das Café Rodensteiner in Pforzheim: „Aber dadurch, dass jetzt der Haushalt ein Problem ist, hat die Politik das eben nicht gemacht.“
„Wir konkurrieren mit so vielen verschiedenen Branchen. Selbst Supermärkte bieten fertiges Essen an, zudem gibt es Essen to go und so weiter“, erklärt Widmaier. „Eine Verlängerung wäre schön gewesen, denn die Steuererhöhung müssen wir zum Teil auf die Konsumenten umlegen.“ Die 12-Prozent Mehr als Gastronom allein zu schlucken, sei unmöglich. Enttäuscht ist der Gastronom aber nicht. „Das kann man ja nur sein, wenn man wirklich erwartet hätte, dass die Senkung bleibt“, antwortet er resigniert.
Bund und Länder müssen sparen. Denn seit das Urteil des Bundesverfassungsgerichts das zweite Nachtragshaushaltsgesetz für nichtig erklärt hatte, wird nach Möglichkeiten gesucht, eine massive Haushaltslücke von circa 17 Milliarden Euro zu schließen. Pro Jahr seien durch die Senkung der Mehrwertsteuer rund 3,6 Milliarden Euro weniger eingenommen worden. Geld, das dringend benötigt wird.
Die Folge: 41 Prozent 41 Prozent der Menschen wollen weniger oft essen gehen. In ein günstigeres Restaurant wechseln, kommt nur für 13 Prozent in Frage. Gut ein Viertel möchte sein Ausgehverhalten deshalb nicht ändern. Vor allem Frauen wollen zu besonderen Anlässen auch 2024 ausgehen. Das ist keine Frage des Einkommens. Primär Besserverdienende planen, eher auf einen Restaurantbesuch zu verzichten als Menschen mit geringerem Einkommen.
Daniel Widmaier plant für sein Café mit einer „Mischkalkulation“. Das heißt, die Steuer wird auf mehrere Schultern verteilt. Konkret könnte das so aussehen: „Ein Gericht kostet mit sieben Prozent Mehrwertsteuer 14,50 Euro. Mit der Erhöhung wären es dann 1,80 Euro mehr, wenn alles der Konsument tragen müsste. Und dann sagt man halt, dass der Preis um einen oder 1,20 Euro erhöht wird.“ Zu teuer dürfe man gleichzeitig auch nicht gehen, „dann verkaufen wir ja gar nicht mehr.“
Angst habe er nicht, aber er sei sich durchaus bewusst, dass die Erhöhung spürbar werde. „Und vor allem bedeutet es, mehr Arbeit bei gleichem Lohn“, sagt Widmaier. Er prognostiziert ein verändertes, bewussteres Konsumverhalten der Menschen. „Vielleicht trinkt der eine statt vier Bier nur noch zwei, kommt nicht mehr zu jedem Mittagstisch oder nur noch einmal die Woche.“ Für ihn heißt das: „Den Gürtel enger schnallen, weniger in Urlaub fahren und sich ansonsten weniger leisten.“