Das Leben in einem Tiny House auf einem Waldbronner Campingplatz

19. Februar 2020 , 05:10 Uhr

Waldbronn (cmk) Viele Menschen streben im Leben immer nach mehr. Größer, weiter, besser – dem Luxus und Reichtum sind eigentlich keine Grenzen gesetzt. Doch immer mehr Menschen verzichten bewusst auf viele Dinge, leben nur noch mit dem Notwendigsten. Einer von ihnen ist der 39-jährige Stefan, er wohnt in einem Tiny House auf dem Campingplatz in Waldbronn. Auf rund 18 Quadratmetern hat er alles, was er zum Leben braucht.

Wohnen auf 18 Quadratmetern 

Im Mai 2018 wurde sein Tiny House (Leergewicht 3,4 Tonnen) geliefert. Zunächst stand es auf einem Campingplatz in der Pfalz, bis zum Umzug im März 2019. Seitdem wohnt Stefan auf einem Campingplatz in Waldbronn (Landkreis Karlsruhe). Sein „Tiny House on Wheels“ steht auf Rädern und ist damit mobil, hat sogar eine Wohnwagenzulassung. „Die Variante hier ist jetzt 3,50 Meter hoch und hat einfach eine ganz normale Kupplung für einen PKW-Anhänger“, erklärt Stefan im Vor-Ort-Interview mit der neuen welle. Das Haus bietet auf rund 18 Quadratmetern alles, was er zum Leben braucht. Wie er selbst sagt, habe er in über einem Jahr noch nichts vermisst. „Ich könnte mir ja Dinge kaufen, wenn sie mir fehlen würden. Aber das tut es nicht. Ich habe alles weggeworfen, das mich belastet hat und habe hier jetzt nur noch Dinge, die mich glücklich machen“, so der IT-Fachmann. Außen hat er sich eine gemütliche Terrasse aus Europaletten gebaut, auch Grill und Pizzaofen sind da. Jedoch wurde alles so konzipiert, dass es bei einem Umzug einfach abgebaut und transportiert werden kann. 

„Es ist tatsächlich alles da, was ich brauche“

Das Tiny House kann im Sommer, als auch im Winter bewohnt werden. Das war Stefan bei der Anschaffung wichtig. „Es hat zwar eine Wohnwagenzulassung, verhält sich aber nicht wie ein Wohnwagen. Also wir haben hier Holzwände auf einem Holzbauwerk mit 6-Zentimeter-Dämmung und das spürt man innen auch“, erklärt er. Beim Betreten des kleinen Wohnraums bemerkt man dann auch, was er damit meint. Es ist muckelig warm, sehr hell und überhaupt nicht stickig. Mehrere Fenster und Oberlichter machen die Benutzung von Lampen tagsüber beinahe unnötig. „Die Fenster an sich sind relativ klein, um im Sommer die Hitze bestmöglich draußen zu behalten. Das ist positiv beim Möbel stellen, das ist ja bei kleinem Wohnraum immer ein großes Kriterium. Nichtsdestotrotz sind im ganzen Haus sechs oder sieben Fenster verbaut, wenn wir die Tür mitzählen“, so Stefan. „Es ist ein hochoptimierter Raum auf etwa 17 bis 18 Quadratmetern. Aber es ist tatsächlich alles da, was ich brauche.“ Die Möbel sind dabei keine Sonderanfertigungen, sondern zum Großteil Standardprodukte. 

Optimierter Raum bietet Platz für Bett & Co.

Stefan nahm unseren neue welle-Reporter mit auf eine kleine Führung durch sein Tiny House, beginnend im Wohnraum. Zuerst fällt die gemütliche „Lümmelecke“ (so nennt Stefan sie selbst) ins Auge. Ein Daybed, also eine Mischung aus Sofa und Liege ist an der Wand befestigt. Hinter der Türe ist die Garderobe, auch ein Fernseher und ein Bücherregal wurden clever und platzsparend eingebaut. Den Schreibtisch kann Stefan ausklappen, darüber hängen Tassen und Teller. Der Küchenbereich ist durch ein Podest vom Wohnraum abgetrennt, das sich bei näherem Betrachten als Bett herausstellt. Dieses kann zum Schlafen aus dem Podest herausgezogen werden. Wer nun mit einem kleinen Einzelbett rechnet, liegt falsch. Der Bettkasten bietet Platz für eine handelsübliche 1,40 x 2,00 Meter Matratze. „Das Bett wird ja tagsüber nicht gebraucht. Ich glaube, dass man dem Schlafzimmer und dem Bett viel zu viel Bedeutung beimisst. Wenn ich das Bett vorziehe, dann ist der Raum belegt mit dem Bett. Das passt aber auch ganz gut, weil wenn ich da drin liege brauche ich den Raum ja für nichts anderes. Wenn ich das Bett nicht brauche, schiebe ich es einfach wieder unter die Küche und damit habe ich dann alles verstaut, was ich nicht brauche“, so der Tiny House-Besitzer. 

Kontrast zu seiner früheren 3-Zimmer-Wohnung

Auch die Küche ist mit allem ausgestattet, das der 39-Jährige zum Leben benötigt. Ein 3-Flammen-Gasherd und ein Waschbecken, ein kleiner Gasbackofen, der hinter einer Klappe verstaut ist, eine Küchenmaschine und eine Arbeitsfläche zum Ausklappen. Das Bad ist mit einer normalen Dusche und einer Trockentrenntoilette mit permanenter Belüftung ausgestattet. Daneben befinden sich ein Waschbecken und eine amerikanische Waschmaschine mit 3,5 Kilogramm Fassungsvermögen, in der Dusche ist zudem eine ausklappbare Wäschespinne abgebracht. Es ist also alles da – nur eben in einer Nummer kleiner. Stefan hat zuvor in 3- beziehungsweise 2-Zimmer-Wohnungen gewohnt. Doch das wollte er irgendwann nicht mehr. „Ich saß dann irgendwann im Wohnzimmer und habe mir Gedanken gemacht, wie viele Punkte ich rein theoretisch brauche, um mich dort wohl zu fühlen. Dabei rausgekommen ist dann etwas ganz erschreckendes, und zwar war es eigentlich nur das Sofa, das ich brauche, das Bett, das Bad und eine Küche. Ich habe mich gefragt, warum ich dafür 50 Quadratmeter brauche, die ich unterhalten muss. Das ist ja nicht nur mit der Miete getan, ich muss dafür Nebenkosten bezahlen, ich muss das Zeug beheizen und es laufen noch irgendwelche Geräte mit. Dann habe ich mir gesagt: Das geht anders.“

Das kostet das Leben in einem Tiny House

Sein Tiny House hat er sich von einem Hersteller nach seinen Vorstellungen anfertigen lassen: „Wir liegen hier bei 36.000 Euro. Die Möbel habe ich selbst eingebracht, aber die Elektrik und Versorgung inklusive Küchenblock wurden mitgeliefert.“ Obendrauf kommen jährlich 2.200 Euro, die er für seine etwa 85 Quadratmeter große Parzelle auf dem Campingplatz in Waldbronn bezahlt. Auch seine Meldeadresse könnte er dorthin verlegen. Das kommt für ihn aber nach eigenen Angaben derzeit nicht in Frage, gemeldet ist er nach wie vor in einer Karlsruher Wohnung. „Ich verbringe hier rund 50 Prozent meiner Zeit, das gebe ich auch zu. Ich habe eine Partnerin mit Kind, da lasse ich mich auch ab und an sehen und freue mich natürlich, wenn ich Zeit mit ihr verbringen kann. Wir haben das so aufgeteilt, dass ich mein Reich hier habe und sie macht den Rest eben in Karlsruhe“, so der 39-Jährige. 

Tiny Houses zukünftig im Stadtbild integriert?

Alternative Plätze für Tiny Houses gibt es in der Region kaum. Doch Stefan setzt sich dafür ein, die kleinen Häuschen zukünftig im Stadtbild zu integrieren. „Es gibt in Karlsruhe den Verein ‚Tiny Houses für Karlsruhe‘, in dem ich Mitglied und Vorstand bin. Wir arbeiten daran, neue Flächen zu erschließen. Wir reden da ganz viel mit der Politik und mit allen Beteiligten, die es uns ermöglichen beispielsweise auch Flächen temporär zu nutzen, die als Bauland irgendwann einmal zur Verfügung stehen aber heute dafür noch nicht vorbereitet sind. Solche Flächen könnte man zum Beispiel auch mit Tiny Houses für Studenten besiedeln.“ Dass die Tiny Houses eine Lösung für die allgegenwärtige Wohnungsnot in der Region sind, glaubt er hingegen nicht: „Derjenige, der im Tiny House wohnt, hat eine ganz andere Vision vom Leben und vom Wohnen. Aber ich stelle mir schon eine Stadt vor, die von vielen Tiny Houses besiedelt ist, beispielsweise auch auf Parkdecks. Es gibt da ganz viele Flächen, die still liegen oder ganz viele Häuser mit Flachdächern. Da kann man gut und gerne so ein paar Häuser draufstellen. Ich glaube tendenziell aber, dass Tiny Houses keine Lösung für die Wohnungsnot sind.“ 

Wer sich für die gemütlichen kleinen Häuschen und das Leben darin interessiert, findet im Verein „Tiny Houses für Karlsruhe“ Gleichgesinnte. Auch beim Tiny House Festival in der Messe Karlsruhe (19. bis 21. Juni 2020) könnten sich Neugierige über das minimalistische Wohnen auf wenigen Quadratmetern informieren. 


Fotos: dnw

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