Baden-Württemberg (dpa/ass) – Geduld und Glück waren bislang gefragt, um einen Impftermin zu ergattern. Es gab Schlangen bei Impfaktionen, Hausärzte klagten und Impfstoff war eigentlich immer knapp oder gar nicht erst da. Das hat sich geändert. Stockt die Impfkampagne bereits?
Der große Ansturm auf die Anmeldesysteme der Impfzentren in der Region lässt laut einer Sprecherin des Gesundheitsministeriums nach. „Die Lage hat sich gedreht“, heißt es auch beim Landratsamt Ravensburg. „Seit dieser Woche haben wir viele freie Termine.“ Auch die beiden Karlsruher Impfzentren werden nach Angaben der Stadt derzeit nur mit knapp 50 Prozent der geplanten Auslastung betrieben. Dabei sei die Nachfrage nach Impfterminen bis vor kurzem noch ungebrochen groß gewesen.
In den vergangenen Wochen fanden fast ausschließlich Zweitimpfungen statt, freie Termine für Erstimpfungen gab es kaum. „Da die Zweitimpfungen nun zum größten Teil abgeschlossen sind, werden wieder viele Termine für Erstimpfungen frei“, heißt es dazu im Ministerium. „Außerdem erhalten wir vom Bund diese und nächste Woche mehr Astrazeneca-Impfdosen.“ Die „Welle“ sei nun größtenteils „abgearbeitet“, sagt auch Kai Sonntag, der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. Der Impfstoff könne jetzt wieder stärker für Erstimpfungen genutzt werden.
Laut und deutlich war Kritik der Hausärzte zu vernehmen in den ersten Wochen, in denen Impfungen auch von niedergelassenen Medizinern übernommen werden konnten. „Wir haben zu Beginn mitunter die Botschaft verkündet, es gebe keinen Impfstoff mehr, die Leute sollten nicht mehr anrufen“, sagt KV-Sprecher Sonntag. „Nun haben wir in den kommenden Tagen erstmals die Situation, dass es genug Impfstoff gibt und keine Bestellgrenze nach oben.“ Auch er kenne aber Beispiele von Ärzten, die zuletzt wegen fehlenden Interesses der Patienten auf Bestellungen verzichtet hätten.
Ende des Monats beginnen in Baden-Württemberg die Ferien. Spät, im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Zu früh dagegen für den einen oder anderen, der noch für eine Impfung in Frage käme. Denn wer derzeit die erste Spritze erhält, bekommt seinen zweiten Termin erst in vier oder sechs Wochen. Das durchkreuzt die eine oder andere Urlaubsplanung, heißt es unter anderem im Aalener Impfzentrum. Und auch eine Sprecherin der Stadt Karlsruhe vermutet in der Ferienzeit einen Grund: „Manche Impfwillige könnte das daran hindern, jetzt einen Termin zu buchen, wenn der Zweittermin in der Urlaubszeit liegt“, sagte sie. Dehalb fordert Stuttgarts Klinik-Geschäftsführer Alscher auch kürzere Impfintervalle.
Fachleute haben schon vor Wochen vorausgesagt, Unentschlossene könnten nach einiger Zeit nur noch schwer von den Vorteilen einer Impfung überzeugt werden. Das scheint der Fall zu sein. „Manche Menschen denken offensichtlich, dass bei niedrigen Inzidenzen eine Impfung nicht mehr notwendig ist“, sagt auch eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. „Doch dieser Schein trügt.“ Das Virus werde leichtes Spiel haben, „wenn wir ihm nicht mit einer größtmöglichen Durchimpfung die Stirn bieten“.