Karlsruhe/Stuttgart (dpa/lk) – Wegen der Corona-Pandemie müssen die Menschen in Baden-Württemberg für weitere Wochen erhebliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens hinnehmen. In zwei entscheidenden Punkten will das Land aber seinen Spielraum nutzen und möglichst zugunsten von Kitas, Schulen und der Bewegungsfreiheit von den strengen Vorgaben abweichen. Den ursprünglich bis zum 10. Januar vereinbarten Lockdown, der nun bundesweit bis zum Monatsende verlängert wurde, trägt der Südwesten ansonsten mit – trotz lautstarker Hilferufe aus Handel und Hotelbranche. Auch folgt Baden-Württemberg den strengeren Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich. Die neuen Beschränkungen gelten ab dem 11. Januar.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann bat angesichts der neuen Beschränkungen erneut um Geduld und Verständnis. „Wir sind noch nicht über den Berg“, sagte Kretschmann am Dienstagabend nach den Beratungen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten und Regierungschefinnen. „Es liegt noch eine schwierige Strecke vor uns, wahrscheinlich die schwierigste der Pandemie.“ Er wisse, dass die Beschränkungen allen „auf die Nerven gehen“. Dennoch müssten sie erneut verschärft werden – „nicht häppchenweise, sondern so, dass wir innerhalb von Wochen auf niedrigere Zahlen kommen und nicht innerhalb von Monaten“.
Nach den neuen Plänen der Landesregierung sollen Grundschulen und Kitas ab dem 18. Januar wieder geöffnet werden, wenn die Infektionszahlen dies zulassen. Präsenzunterricht ist dann auch für Abschlussklassen geplant. Sie können in Ausnahmefällen sogar schon eine Woche zuvor wechseln, sollte es wegen Prüfungen dringend nötig sein. Für die anderen Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen gibt es entsprechend der Vereinbarung von Bund und Ländern bis Ende Januar keinen Präsenzunterricht. Kultusministerin Susanne Eisenmann begrüßte das Vorgehen. „Es ist unerlässlich, dass wir den Schulen und Kitas weitere Perspektiven für die kommende Zeit aufzeigen“, sagte sie weiter. Geschlossene Kitas und Schulen über einen längeren Zeitraum hätten negative Folgen für den Lernerfolg und die soziale Teilhabe der Kinder und Jugendlichen. „Sie sind zudem eine enorme Belastung für die Familien in unserem Land.“
Erst später als bundesweit geplant will Baden-Württemberg entscheiden, ob in Landkreisen mit hohen Corona-Infektionszahlen der Bewegungsradius der Menschen einschränkt wird. „Aktuell planen wir das nicht“, sagte Kretschmann. „Wir müssen erstmal zu belastbaren Werten kommen nächste Woche, um dann zu entscheiden.“ Tourismusminister Guido Wolf warnte davor, diesen vorläufigen Verzicht misszuverstehen. Die Zurückhaltung der Landesregierung dürfe nicht zu Tagesausflügen an bekanntere Ausflugsziele im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb ermuntern, sagte der CDU-Politiker. Zuvor hatten sich Bund und Länder darauf verständigt, dass in Landkreisen mit hohen Corona-Infektionszahlen weitere Maßnahmen ergriffen werden sollten, um den Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort zu beschränken. Als Ausnahmen gelten triftige Gründe wie der Weg zur Arbeit. Tagesausflüge wie der anhaltend starke Andrang in den Wintersportgebieten von Schwarzwald und Schwäbischer Alb sind ausdrücklich keine triftigen Gründe.
Auch die Kontaktregeln werden vom 11. Januar an noch einmal verschärft. Künftig dürfen sich nur noch Angehörige eines Haushalts mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person im öffentlichen Raum treffen. Die Regierung plant bei den Kontaktbeschränkungen aber eine Erleichterung für Alleinerziehende. Diese sollten bei privaten Besuchen ihre Kinder mitbringen dürfen, solange diese unter 14 Jahre alt seien, erfuhr dpa aus Regierungskreisen.
Baden-Württemberg war, wie die anderen Bundesländer auch, am 16. Dezember in einen weitreichenden Lockdown gegangen, um die hohen Zahlen von Corona-Neuinfektionen einzudämmen. Die Folgen sind nach Ansicht der Einzelhändler eine Katastrophe für die Branche. „Je länger der Lockdown andauert, desto mehr Unternehmen kommen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und desto mehr werden pleitegehen“, sagte Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg. Im schlimmsten Fall müsse man damit rechnen, dass sich die prognostizierten 6.000 Schließungen auf rund 12.000 Schließungen und Insolvenzen in den nächsten zwei Jahren verdoppelten.
Wie es im Februar weitergeht, darüber wollen Bund und Länder am 25. Januar beraten. Entscheidend sind dann vor allem die Infektionszahlen. Die Zahl der gemeldeten Corona-Neuinfektionen hat allerdings im Südwesten wieder deutlich angezogen. Allerdings ist eine Interpretation der Daten weiter schwierig, weil um Weihnachten und den Jahreswechsel Corona-Fälle laut Robert Koch-Institut verzögert entdeckt, erfasst und übermittelt wurden.