Stuttgart (dpa/lsw) – Nur wenige Themen polarisieren so sehr wie die Gendersprache. Gendern soll in der Sprache der Landesbehörden im Südwesten verboten werden. Man werde in einer Verwaltungsvorschrift festhalten, dass Sonderzeichen wie Binnen-I und Gendersternchen in der Verwaltungssprache künftig nicht mehr zulässig seien, verkündete Innenminister Thomas Strobl . Das würde dann etwa gelten für Schriftverkehr von Ministerien oder Regierungspräsidien. Schulen und Hochschulen sollen davon zunächst nicht betroffen sein.
Zuvor hatte das Innenministerium einen Antrag für ein Volksbegehren gegen eine Genderpflicht an Schulen und Behörden abgelehnt – aus formalen Gründen. Die Initiatoren hatten viele tausende Unterschriften gesammelt und eingereicht. In dem Gesetzentwurf heißt es, dass die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden sowie alle übrigen Einrichtungen des Landes auf Vorgaben zum Gebrauch geschlechtsneutraler Änderungen und Zusätze verzichten sollten.
Auch die CDU-Fraktion hat seit langem diese Position – sie lud den Initiator des Volksbegehrens, den Heidelberger Klaus Hekking, am Dienstag in die Fraktionssitzung ein. Hekking hatte kurz vorher Klage eingereicht beim Verfassungsgerichtshof gegen die Ablehnung des Antrags. Er kündigte aber an, die Klage zurückzunehmen, sollte die Landesregierung das Genderverbot nun umsetzen – aber bis dahin wolle er sie aufrecht erhalten. Ihm gehe es nicht um unnötige Konfrontation, sondern darum, dass «Dampf im Kessel» bleibe.
Gendersprache sei exklusiv, sie baue keine Brücken, sondern reiße Gräben auf, betonte CDU-Fraktionschef Manuel Hagel. Genderzeichen hätten das Potential zu spalten. Hekking erinnerte auch an Blinde oder Hörgeschädigte, denen Genderzeichen das Leben schwer machten.
In der Rechtssprache, also in Gesetzestexten, Verwaltungsvorschriften und Verordnungen, sei das Gendern im Südwesten bereits nicht erlaubt, sagte Strobl. Er sei bislang davon ausgegangen, dass das auch für die Verwaltungssprache gelte. Dies wolle man nun mit einer Vorschrift festhalten, weil es vereinzelt immer wieder vorkomme, dass in der Landesverwaltung doch gegendert werde, so Strobl. Es gehe dabei um Sonderzeichen wie das Sternchen, die Klammer, den Unterstrich. «Sonst schreibt jeder wie er möchte.» Strobl kündigte an, zeitnah eine ergänzende Regelung ins Kabinett einbringen zu wollen.
Allerdings sind sich Grüne und CDU bei dem emotionalen Thema alles andere als einig. Ministerpräsident Winfried Kretschmann, selbst absolut kein Freund der Gendersprache, sieht jedenfalls keinen Regelungsbedarf mit Blick auf die Landesbehörden. «Für die Landesregierung ist es ganz einfach: In offiziösen Dokumenten halten wir uns an die Rechtschreibregeln», sagte der Grünen-Politiker am Dienstag. Auch in der Schule seien Rechtschreibfehler schließlich Rechtschreibfehler. Der Staat müsse sich an das, was er sanktioniere, auch selbst halten. Er sei kein Freund davon, solche «Kulturdebatten» hochzuziehen, sagte Kretschmann. Die Menschen müssten den Eindruck haben, dass Politik in solchen Krisenzeiten die Probleme löse.
Grünen-Fraktionsvize Oliver Hildenbrand teilte am Abend mit, man werde sich nicht von »Verbots-Ideologen» treiben lassen: «Wer schon mit den Formblättern für ein Volksbegehren überfordert ist, empfiehlt sich ganz sicher nicht als Ratgeber für Regelwerke und Gesetze.» Es gebe keinen weiteren Regelungbedarf, sagte Hildenbrand. Er wundere sich darüber, «dass diese Verbots-Fantasien für die CDU offenbar so wichtig und verlockend sind».
Seit Jahren wird in Deutschland diskutiert, ob – und wenn ja, wie – männliche Formen in der Sprache durch weiter gefasste Begriffe ersetzt werden können oder sollten – um zum Beispiel Frauen offensiver einzubeziehen. Das Gendersternchen wie bei «Lehrer*innen» ist eine Möglichkeit.
Der Rat für Rechtschreibung hat die Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden solle. In der vergangenen Sitzung im Sommer hatte das Expertengremium aber Genderzeichen nicht als Kernbestand der deutschen Rechtschreibung eingestuft.
Dabei ist weitgehend unklar, inwieweit Gendersprache wirklich im Alltag in Behörden, Schulen und Universitäten genutzt wird. Kaum jemand kann wirklich Beispiele nennen. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) betonte am Dienstag, sie wisse von keiner Universität, die das so für sich entschieden hätte. Es gebe auch überhaupt keine Hinweise, dass das Thema in Prüfungsverfahren relevant sei. Also eine Scheindebatte?