Mittlere Städte legen nach einer Studie des Immobiliendienstleisters Empirica Regio besonders zu. So kamen vor allem nach Baden-Baden schon gleich nach Kriegsbeginn viele Menschen. «Wir sind als Stadt im osteuropäischen Raum relativ bekannt», sagt Bürgermeister Roland Kaiser (Grüne). Die Kurstadt im Schwarzwald hat seit zehn Monaten – bezogen auf die Einwohnerzahl – die zahlenmäßig höchste Belastung aller Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg. 2261 Flüchtlinge aus der Ukraine wurden registriert. 1700 Flüchtlinge sind derzeit da. Sie machen rund drei Prozent der 57 000-Einwohner-Stadt aus.
Extrem große Herausforderung
«Für uns ist das eine extrem große Herausforderung. Wir bewältigen es noch gut, sind aber an der Kapazitätsgrenze», sagt Kaiser, der in der Kurstadt für Bildung, Soziales, Ordnung und Sicherheit zuständig ist. Er beobachtet eine große Solidarität in der Bevölkerung. Zwei Drittel der Ukraine-Flüchtlinge sind privat untergekommen, teils auch bei Leuten mit russischen Wurzeln. «Das Schwarz-Weiß-Denken zerbröselt vor Ort, es wird von allen Seiten geholfen.» Insgesamt leben über 1000 Russen oder russischstämmige Menschen in Baden-Baden.
Viele auch in Pforzheim
Gerade russischsprachige Einwohner helfen auch in Pforzheim bei Wohnraum und Sprachvermittlung. Von den derzeit 1700 Ukrainern (1,3 Prozent der Bevölkerung) konnten viele privat unterkommen. «Eine Unterbringung ausschließlich in städtischen Unterkünften wäre nicht möglich gewesen», so eine Stadtsprecherin. Städte und Gemeinden wollen eine Unterbringung in Großunterkünften vermeiden, sie mieten notfalls Hotels an und versuchen, Wohnungen über Raumteiler-Projekte wie in Karlsruhe, Esslingen oder Ulm zu akquirieren. Das stößt an Grenzen.
Schwierige Integration in den Arbeitsmarkt
Die wenigsten Ukraine-Flüchtlinge sprechen gut deutsch oder englisch, sagt Baden-Badens Bürgermeister Kaiser. «90 Prozent sind deshalb nicht sofort auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln.» Einige arbeiten aber bereits in der Gastronomie oder im Gesundheitsbereich. Pforzheim berichtet von ersten guten Erfahrungen mit ukrainischen Fachkräften in Kitas.
«Fast alle wollen möglichst schnell zurück», weiß Kaiser. Das macht die Lage für Städte so unkalkulierbar. Sie kämpfen mit Finanz- und Personalproblemen, bürokratischen Hürden und Planungsunsicherheiten. Baden-Baden würde sich schon über eine bessere Koordinierung bei der Verteilung von Kriegsverletzten von Bund und Land freuen. Kommunen müssten für diese Menschen zum Beispiel behindertengerechten Wohnraum und Betreuung organisieren oder Fahrten zu weit entfernten Kliniken.
Kommunen gehen bei den Kosten für ukrainische Flüchtlinge in Vorleistung und bekommen einen Teil zurück. Kaiser schätzt aber, dass allein Baden-Baden auf mehreren Millionen Euro sitzen bleibt. Insgesamt sind nach Angaben des baden-württembergischen Migrationsministeriums derzeit im Südwesten rund 150 000 Flüchtlinge aus der Ukraine.