Rastatt (dpa/lk) – Corona hat die Weltmeisterschaft für das beste Eis in den Dezember verschoben. Egal, sagt sich ein Eismacher aus Rastatt. Er tritt im italienischen Bologna mit einem sommerlichen Avocado-Fruchteis an – die Juroren lassen es sich hoffentlich auf der Zunge zergehen.
Mjam. Das zart orange-gelbe Eis schmilzt zitronig auf den Lippen, dockt dann cremig-frisch am Gaumen an, schmeckt nach Minze und irgendwie auch mangoartig und endet mit Avocadonote im Abgang. Mango? Nein, es ist die Andenbeere Physalis, die dem Physalis-Avocado-Sorbet Sommerfarbe und fruchtigen Geschmack verleiht. Eine ungewöhnliche Kreation hat sich Guiseppe Cimino, Eismacher und Eisdielenbesitzer in Rastatt-Plittersdorf, vor einigen Jahren ausgedacht, damit 2018 die Deutsche Meisterschaft in Berlin gewonnen und sich dadurch gleichzeitig für die Eis-Weltmeisterschaft Anfang Dezember in Bologna qualifiziert.
Die Konkurrenz ist groß, sagt Cimino, „aber ich habe meine Hausaufgaben gemacht, bin gut vorbereitet“. Aus Deutschland tritt auch die Eismacherin Claudia Trotta aus Wernigerode an. Sie hatte 2019 mit ihrer Eisschöpfung „Edelweiß Ziegenjoghurt“ die Deutsche Meisterschaft gewonnen. 2020 fiel der Wettbewerb aus – sonst könnten jetzt gleich drei Eismacher oder Eismacherinnen aus Deutschland nach Bologna fahren. Insgesamt wetteifern auf der WM nach Angaben der Veranstalter 33 Eismacher um den Titel.
In Gaggenau, wo Cimino und seine zwei Brüder ihr Eis für ihre drei Eisdielen in Rastatt, Gaggenau und Karlsruhe herstellen, trainiert Cimino gerade auf seine Weise für die WM, rührt in einem großem Metalleimer sorgsam einen orangefarbenen Physalis-Wasserbrei um, gibt „Bio-Minze aus Papas Garten“ sowie halbierte und zuvor gesalzene Avocados hinzu. Das Mengenverhältnis ist geheim, die genaue Würzung – auch Limettenschale kommt zum Einsatz – ebenfalls. Dann wird die noch recht flüssige Masse mit einem riesigen Turbomixer püriert, ruht danach rund zehn Minuten und kommt schließlich in die Eismaschine, wo sie etwa 15 Minuten gerührt und gewälzt und aufgeschlagen wird.
„Deutsche lieben Eis“ sagt Annalisa Carnio vom Verband Unities, dem Bundesverband der italienischen Speiseeishersteller. Vor allem Eis nach italienischer Tradition stehe in Deutschland hoch im Kurs. Ihren Angaben zufolge haben hierzulande rund 3.300 Eisdielen eine eigene Eis-Produktion. Weitere rund 6.000 seien Filialen dieser eisherstellenden Betriebe oder bezögen ihr Eis von einem Betrieb, der selbst herstellt. Nach Branchendaten des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie schleckte jeder Deutsche im vergangenen Jahr rund acht Liter Speiseeis – davon etwa einen Liter Eisdieleneis. Umsatzzahlen für Eisdieleneis gibt es nicht.
Auch Cimino gibt keine Umsatzzahlen preis – aber die Geschäfte laufen gut, erzählt er. Es soll sich ja auch lohnen bei neun Monaten durchgehender Öffnungszeit jährlich mit bis zu 18-Stunden-Tagen. Schon oft waren seine Brüder und er medial präsent: Mit Hundeeis etwa oder zu Beginn der Pandemie erdachten Klopapier-Eistorten. Cimino versucht, sich immer auf den jeweiligen Zeitgeist und die herrschenden Trends einzustellen. Pro Saison entwickelt er bis zu neun Eissorten neu, „davon bleiben dann zwei bis drei dauerhaft im Sortiment“, sagt der 42-Jährige. Grünes WhatsApp-Eis, blaues Facebook-Eis, graues, mit Aktivkohle versetztes Asphalteis hat er schon entwickelt – „experimentieren ist alles“.
Mit Avocado wollte er schon immer mal was machen. Schließlich wird die Frucht überall gehypt als gesund, reich an ungesättigten Fettsäuren und Vitaminen. Bis Cimino auf die fruchtige Kombi mit Physalis kam, musste er einige Zeit tüfteln. Sein Physalis-Avocado-Sorbet kommt bei den Kunden seit Jahren sehr gut an, auch seine Brüder verkaufen es in ihren Eisdielen. „Es ist vegan, lactosefrei, glutenfrei“, betont Cimino.
Den Ausbildungsberuf „Fachkraft für Speiseeis“ gibt es nach Informationen des Baden-Württembergischen Handwerkstags seit 2019 nicht mehr, aber das spielt für Cimino keine Rolle. Der gelernte Industriemechaniker hat das Eismachen trotzdem von der Pike auf gelernt, von seinem Vater und der wiederum von seinem Großvater. Um ein gutes Eis zu machen, brauche man „Erfahrung, Erfahrung, Erfahrung“, sagt er. „Und gute Zutaten.“
Eine acht-köpfige Jury wird seine Kreation bald in Bologna begutachten: Bewertet werden neben dem Geschmack auch Farbe, Konsistenz und Geschmeidigkeit. Schade nur, dass dieses typische Sommereis nun im Winter verkostet wird. „Das ist für mich ein Nachteil“, glaubt Cimino. Eigentlich sollte die WM deutlich früher stattfinden, wurde wegen Corona aber verschoben und schließlich auch noch von Florenz nach Bologna verlegt, wo die Hygienekonzepte besser umzusetzen seien. Apropos Corona – es ist theoretisch denkbar, dass deswegen mal wieder alles ins Wasser fällt. „Hoffentlich nicht“, sagt Cimino.