Karlsruhe/Pforzheim (ct) Zusammenhalten ist in dieser Corona Zeit ein wichtiges Thema. Und sehr viele lassen sich etwas einfallen, um zu helfen. Gastronomen liefern Essen oder stellen es zur Abholung bereit, andere bieten Einkaufshilfen an und wieder andere nähen Masken, die helfen sollen sich oder andere Mitmenschen nicht zu infizieren. Wenn Sie eben genau aufgepasst haben, dann ist Ihnen sicher aufgefallen, dass das Wort „Schutz“ oder „schützen“ in diesem Satz nicht vorkam. Es nicht zu verwenden war tatsächlich gar nicht so einfach. Und genau das scheint gerade ein enormes Problem zu sein.
Es ist sicher eines der großen Aufregerthemen der letzten Tage. Die Schutzmasken werden knapp. Da engagieren sich Menschen, setzen sich hin und stellen Gesichtsmasken her, um eben anderen Menschen zu helfen – und bekommen dann dafür auch noch eine satte Abmahnung vom Rechtsanwalt. Jan Gregor Steenberg ist Rechtsanwalt aus Pforzheim. Er und seine Frau engagieren sich seit Jahren im Rettungsdienst. Damit kennt er einerseits den Umgang mit medizinischen Produkten und andererseits die deutsche Rechtslage. Eine gute Position um sich zu fragen, ob solche Abmahnungen überhaupt gerechtfertigt sind und ob man denn da nicht erfolgreich zurückklagen kann. Für ihn ist das so absolut nicht hinnehmbar. Deshalb hat er den Abmahnungen den Kampf angesagt und sich intensiv mit der Thematik befasst.
Herr Steenberg, wie kann so etwas wie eine Abmahnung hier überhaupt funktionieren?
Jan Gregor Steenberg: „Es ist ja so, dass der abmahnende Anwalt nicht im eigenen Namen abmahnt. Er braucht erst einmal einen Mandanten. Also irgendjemanden, der behauptet, dass derjenige, der so eine Maske schneidert, in seine Rechte eingreift. Am Besten in unlauterer Weise. Und dann sagt der abmahnende Anwalt: Pass mal auf, du gehst unlauter in den Wettbewerb rein, indem du Produkte meines Mandanten – nämlich diese medizinischen Schutzmasken – nachbaust und behauptest, sie wären gleich gut.“
Man geht also von einer Art Täuschung aus und genau deshalb sieht man sich dazu verpflichtet, per Abmahnung einen Riegel vorzuschieben? Mahnen Sie dann den abmahnenden Anwalt ab?
Jan Gregor Steenberg: „Ich gehe ja nicht als Anwalt direkt gegen einen Anwalt vor, sondern ich kann dann ja auch nur für denjenigen, der abgemahnt wurde gegen den jeweiligen Anwalt ‚vorgehen‘. Das heißt gegen seinen Mandaten und sage: Pass mal auf, das was du hier behauptest ist kein wettbewerbswidriger Eingriff in diese Schutzrechte. Also möglicherweise Markenrechte, möglicherweise ein Verstoß gegen die EN-Norm, möglicherweise ein Verstoß gegen das Medizinproduktegesetz. Das sind alles Sachen, die hier anscheinend vorgetragen werden.“
Solange man also nicht damit werben würde ein Produkt anzubieten, das einem medizinisch zertifizierten Produkt gleichwertig wäre, wäre dann ja alles okay. Aber vermutlich wird es noch irgendein Gesetz geben, das die Sache noch zusätzlich komplizierter macht?
Jan Gregor Steenberg: „Ist denn das Anbieten einer solchen Maske überhaupt eine geschäftliche Handlung? Das heißt geht es hier darum, einen Absatz zu machen oder Waren zu verkaufen, einen Vertrag zu schließen? Es wird natürlich geschäftlich, wenn ich entgeltlich mit einer Gewinnerzielungsabsicht verkaufe. Dann sind wir da möglicherweise drin. Aber auch erst dann. Und da wird es dann schon spannend. Ist es denn so, dass wenn ich so eine Stoffmaske, also eine mehrfach verwendbare Maske anbiete, diese bereits ein Produkt ist, welches den Mitbewerber trifft, der Papiereinmalartikel verkauft. Das sind ja wahrscheinlich die Abmahnenden.“
Wer Masken herstellt und gratis weitergibt, der bietet laut Handelsrecht also keine Angriffsfläche. Das greift wenn überhaupt erst, wenn diese Masken gegen Bezahlung angeboten werden, die über den Unkostenbeitrag deutlich hinausgeht. Und wer diese Masken nicht wie ein medizinisches Produkt anbietet oder behauptet sie würden wie ein solches wirken, der braucht eigentlich auch keine Angst haben. Nach allem was man bisher über solche Abmahnvorgänge gehört hat spielt der Begriff „Schutz“ wohl eine besondere und sehr zentrale Rolle. Man möchte ihn im Zusammenhang mit solchen Artikeln nicht haben oder verbieten. Liegt das vielleicht daran, dass Schutz eine besondere Qualität suggeriert?
Jan Gregor Steenberg: „Also der Begriff Schutz kann es nicht sein. Schutz gibt es auch als Seitenaufprallschutz, es gibt Schutzkappen, Schutzhüllen fürs Handy, es gibt Schutz für alles. Es gibt Schutzhelme, da gibt es auch Normen und trotzdem ungenormte Schutzhelme. Also der Begriff Schutz alleine macht es nicht aus. Es ist wirklich das Anlehnen an ein Medizinprodukt und eben das für sich Ausnutzen dieser Vorgaben, die ein Medzinprodukt erfüllen muss. Sich quasi aufschwingen, dass man sagt: Ja, ich hab hier so ein Produkt, das ist gleich einem Medizinprodukt, das ist gleich dieser medizinischen Gesichtsmaske.“
Nun haben wir viel von Ihnen darüber gehört was geht und was nicht geht. Eigentlich dürfen Anwälte ja auch nicht kostenfrei beraten. Sie bieten aber dennoch etwas kostenfrei an. Was ist es und wie erreicht man Sie?
Jan Gregor Steenberg: „Was ich auf meine Kappe nehme und was in meinen Augen auch geht ist, wenn jemand so eine Abmahnung erhält, dann soll er die doch bitte zu mir in die Kanzlei schicken. Ich schau mir das dann an und gebe auch wirklich eine Ersteinschätzung per Telefon oder per Videokonferenz und schaue mir den Einzelfall an. Es wird immer auf den einzelnen Fall ankommen, kein generalisiertes Ja oder Nein geben. Dann werde ich meine Einschätzung abgeben, was man damit machen kann und ob man das Risiko eines Rechtstreits eingehen sollte oder lieber in den sauren Apfel beisst und eine Summe X an einen Anwalt bezahlt.“
Die einen versuchen Geld zu verdienen und jetzt sagen Sie, dass Sie das kostenfrei übernehmen. Warum?
Jan Gregor Steenberg: „Das mache ich wirklich gerne kostenfrei, weil ich einen Hals habe auf alle Anwälte, die derzeit versuchen über diese Schiene Umsatz zu generieren. Da ist es eben auch die Aufgabe von uns Anwälten, wir sind ja auch Organe der Rechtspflege, da auch im Augenblick unseren Beitrag für die Gesellschaft und im Rahmen dieser Pandemie zu leisten. Das muss nicht sein, es gibt genügend andere Sachen, die man abmahnen kann. Aber jetzt hier Leuten eins vor den Latz zu knallen, die versuchen zu helfen, das finde ich unmoralisch! Das ist zwar kein Maß in der Justiz und der Juristerei, aber in meinen Augen müssen wir Anwälte jetzt auch ein Zeichen setzen und sagen: Das kann so nicht sein, da stehen wir dagegen und helfen denjenigen, die betroffen sind.“
Wenn Sie bereits Post vom Abmahnanwalt bekommen haben, dann wird sich Jan Gregor Steenbeck sicher über Ihren Anruf oder Ihre E-Mail freuen. Er wartet nur darauf. Sie finden seine Kanzlei in Pforzheim. Alle Informationen gibt es hier.
Einen kleinen Tipp hätten wir noch: Wenn Sie solche Gesichtsmasken herstellen, schauen Sie sich an, wie rennomierte Firmen und Betriebe ihre Masken beschreiben und anbieten. Als Inspiration kann das sicher hilfreich sein. Aber bitte übernehmen Sie diese Texte nicht von deren Angebot oder Website, denn das wäre dann die Grundlage für eine Urheberrechtsverletzung und den nächsten Abmahnanwalt.