Heidelberg (dpa/lk) – Das Landgericht Heidelberg hat sein Urteil gegen einen 14-Jährigen wegen Mordes an einem 13 Jahre alten Jungen verkündet. Doch was genau an dem Tattag genau zwischen den beiden Jungen und einem Mädchen geschah, lassen die Richter im Dunkeln. Der 14-Jährige war bereits vor der Tat kein unbeschriebenes Blatt. Schon im November vergangenen Jahres hatte er einen Mitschüler an einer Schule in Östringen mit einem Messer lebensgefährlich verletzt.
Den Polizeibeamten bot sich am 24. Februar dieses Jahres in einem Waldstück bei Sinsheim ein furchtbares Bild: Ein Teenager mit Messer in der Hand, zu seinen Füßen die Leiche eines Jungen. Ebenfalls am Tatort: ein Mädchen. Ein Dreivierteljahr später wird ein 14-Jähriger zu neun Jahren Haft wegen heimtückischen Mordes an einem 13 Jahre alten Jungen verurteilt. Die Große Jugendkammer des Landgerichts Heidelberg sah es als erwiesen an, dass das Opfer in ein Waldstück bei Sinsheim-Eschelbach gelockt wurde. Der Angeklagte stach dort nach Ansicht des Gerichts mit Tötungsabsicht mit einem Messer insgesamt sieben Mal in den Rücken und Halsbereich des arg- und wehrlosen Jungen. Dieser starb wenig später vor Ort. Der nun verurteilte Jugendliche bestritt die Tat anfangs, gestand sie später, ohne jedoch das Mordmerkmal der Heimtücke zu bestätigen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der tödliche Angriff mit einem Küchenmesser erschütterte selbst hartgesottene Kriminalbeamte. Vor allem, weil Opfer und Täter sehr jung sind. Am Tatort hielt sich auch das damals zwölfjähriges Mädchen auf, über dessen Rolle viel spekuliert wird. Offiziell hieß es lediglich, das Motiv für die tödliche Messerattacke sei Eifersucht gewesen. Auch in seiner Mitteilung zum Urteil nimmt das Gericht keine Stellung zu den Beweggründen des Verurteilten. Darin heißt es zudem nur, das Opfer sei in ein Waldstück gelockt worden – ohne zu verraten von wem. Ob dahinter das strafunmündige Kind steckt, ist nicht bekannt. Zumindest kannten die beiden Jungen vor der Tat einander nicht, aber beide kannten das Mädchen. Der Prozess wurde aus Jugendschutzgründen unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt.
Die Staatsanwaltschaft sowie die Nebenklage hatten beantragt, den Angeklagten wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren zu verurteilen und damit die Maximalstrafe auszuschöpfen. Die Richter folgten dem nicht – wegen des Teilgeständnisses und weil es die erste Verurteilung des Jugendlichen ist. Die Verteidigung hatte eine Verurteilung zu siebeneinhalb Jahren wegen Totschlags gefordert. Lebenslängliche Strafen wie bei Erwachsenen werden im Jugendstrafrecht nicht ausgesprochen. Nach Worten des Pflichtverteidigers des Jugendlichen, Claus Schwerter, steht im Jugendrecht der Erziehungsgedanke im Vordergrund, im Erwachsenenstrafrecht die Sanktion einer Tat.
Die Staatsanwaltschaft kam mit Hilfe von Sachverständigen zu dem Schluss, dass der Jugendliche, der erst kurz vor der Tat 14 geworden war, strafrechtlich verantwortlich war – „dass er also nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“. Daher klagte sie den Teenager wegen Mordes an. Im Gerichtssaal kam es während der mehr als sechswöchigen Verhandlung zu emotionalen Szenen. Vater und Mutter des Opfers traten als Nebenkläger auf. Bei schwer zu ertragenden Bildern ihres getöteten Sohnes verließen sie den Gerichtssaal. Die Mutter des Verurteilten wohnte dem Prozess ebenfalls bei; sein Vater ist verstorben. Beide Jungen haben die doppelte deutsch-türkische Nationalität, beide haben Geschwister.
Der 14-Jährige ist kein unbeschriebenes Blatt. Im November 2020 hatte er einen Mitschüler an einer Realschule in Östringen im Landkreis Karlsruhe mit einem Messer schwer verletzt. Danach kümmerte sich das Jugendamt um die Familie. Der damals strafunmündige 13-Jährige kam für drei Wochen stationär in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie unter – und begann dort ein Programm gegen Gewalt als Mittel der Konfliktlösung. Im Jugendstrafrecht kann die Haft nach Verbüßen von sieben Zwölfteln der Haft – abhängig vom Ergebnis der Haftprüfung – vorzeitig beendet werden. Dann könnte der Verurteilte theoretisch schon nach gut fünf Jahren aus der Justizvollzugsanstalt für Jugendliche kommen. In dem Prozess wurden 40 Zeugen und drei Sachverständige gehört. Die Juristen mussten sich durch 4.000 Seiten Prozessakten kämpfen.
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