Region (lea) – Doch kein Aprilscherz: Seit dem 1. April ist in Deutschland der Cannabiskonsum für Erwachsene legal. Unter Auflagen darf das Hanfgewächs jetzt konsumiert, angebaut und besessen werden. Am Tag der Legalisierung feierten Hunderte Menschen vor dem Brandenburger Tor, während unter anderem die Opposition im Bundestag, die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Deutsche Richterbund die Hände über dem Kopf zusammenschlugen. Experten der regionalen Drogenberatung hingegen setzen viel Hoffnung in die Entkriminalisierung des Konsums.
Am 23. Februar dieses Jahres verabschiedete der Bundestag den Gesetzentwurf der Regierung „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“. Erwachsene können künftig bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum im privaten Raum besitzen. Anders sieht es auf der Straße, im öffentlichen Raum, aus: Hier gilt eine Maximalgrenze von 25 Gramm.
Auch drei Cannabispflanzen könnt ihr jetzt zum Eigenkonsum im heimischen Garten anpflanzen. Wer vor dem Kiffen nicht noch gärtnern möchte, kann sein sogenanntes Konsumcannabis aber auch aus einer Anbauvereinigung beziehen. Die heißen „Cannabis Social Clubs“ (CSC). Wer Mitglied sein will, muss mindestens 18 Jahre alt sein und über einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verfügen. Bis 21 Jahre gelten gesonderte Abgaberegeln.
Aber Achtung: Anbaulizenzen können die CSC erst ab dem 1. Juli beantragen.
Cordula Sailer, Diplompsychologin und Drogenbeauftragte der Stadt Karlsruhe, zeigt sich angesichts der Teillegalisierung erleichtert. „Aus Sicht der Drogenhilfe und aus Sicht der Suchtprävention ist das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagt sie. Viele Leute, so Sailer, hätten bisher kein Problem mit Cannabis und einer potenziellen Sucht gehabt. Problematischer sei eher der Umgang mit den Konsumenten gewesen. Stigmatisierung, rechtliche Konsequenzen, Kriminalisierung. Durch das neue Gesetz hofft Sailer auf Besserung.
Daneben erwartet die Expertin, dass „Cannabis damit langfristig kontrolliert und sauber werden kann. Dass Streckstoffe wegfallen und die Menschen wissen, was sie konsumieren.“ Sand, Zucker, Salz, Erbsenmehl. Oder eben noch gefährlichere Stoffe wie Quecksilber, Blei und das synthetische Streckmittel „Brix“ fanden sich nicht selten in illegal erworbenem Cannabis. Die gesundheitlichen Folgen des Konsums verunreinigten Cannabis‘ gehen über Kopf- und Bauchschmerzen bis hin zu Lähmungen und Vergiftungen.
Am allerwichtigsten ist Sailer aber, „dass wir jetzt eine bessere Möglichkeit haben, den Jugendschutz sicherzustellen.“ Durch die Legalisierung könne offener mit den Jugendlichen gesprochen werden, die Aufklärung werde erheblich vereinfacht. „Bisher war es so, dass Cannabis durch seine Illegalität deutlich tabuisiert wurde. Man kann Jugendliche fragen, wer schon mal Alkohol getrunken hat. Da werden die meisten wohl ehrlich antworten. Aber man konnte sie nicht fragen, wer schon etwas Illegales konsumiert hat“, berichtet die Expertin. Ehrliche Gespräche seien der Schlüssel zum Erfolg.
Nicht jeder teilt Sailers positive Einstellung. So äußerte beispielsweise der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion (CDU/CSU), Tino Sorge, gegenüber der dpa, der 1. April „sei in der Tat ein historischer Tag“. Er werde in die Geschichte eingehen „als der Tag, an dem die Ampel ein nie dagewesenes Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt ins Rollen gebracht hat.“ Daneben versprach er, die Teillegalisierung werde nach einem Regierungswechsel rückgängig gemacht werden.
Und auch Deutschlands flächenmäßig größtes Bundesland, Bayern, sieht die Entwicklung skeptisch. Kiffen auf Volksfesten, in Biergärten oder im Englischen Garten wird untersagt. Bei Gesetzesverstößen drohen Strafen bis zu 1000 Euro. Beispielsweise denjenigen, die in der Gegenwart von Kindern und Jugendlichen kiffen.
Diese Tendenz sieht Cordula Sailer kritisch. Sie fordert „Fakten statt Angstmache“. Denn die Unsicherheit in der Bevölkerung sei noch immer deutlich spürbar. „Problem ist, dass die Gegner der Teillegalisierung weiter ihre ideologischen Argumente in die Öffentlichkeit geben. Das verunsichert Eltern“, sagt sie. „Was wir gerade brauchen, ist Sicherheit und faktenbasierte Information. Eltern sollten informiert sein, damit sie mit ihren Kindern reden können.“ Reden, ohne Scheu sei das beste Gegenmittel. Umso stärker möchte sich die Suchtberatung der Prävention widmen. Fachtagungen und Öffentlichkeitsarbeit sollen ausgebaut werden. Dass eine andere, möglicherweise zukünftige Regierung die bestehenden Gesetze revidieren könnte, fürchtet sie nicht. „Dafür ist die Lobby der Befürworter zu stark.“
Die Suchtberatungen in der Region sind die erste und niederschwelligste Anlaufstelle für alle Fragen und Bedürfnisse rund um den Konsum von Cannabis. „Wir sind für alle da“, sagt Sailer. Den Link zum Angebot findet ihr hier (https://www.karlsruhe.de/bildung-soziales/psychologische-soziale-beratung/suchtberatung).